#MitHitzeKeineWitze

Hitzewelle, Klimawandel
Ausgetrockneter Boden, tausende Hitzetote: Auf intensive Hitzeperioden sind Deutschlands Kommunen bisher mangelhaft vorbereitet (Foto: rotorania/123rf.com)

Hamburg: 25 Grad, Leipzig: 25 Grad, Stuttgart: 26 Grad, Düsseldorf 27 Grad – das Wetter ist derzeit herrlich in Deutschland! Oder doch nicht? Hitze ist aktuell das größte durch den Klimawandel bedingte Gesundheitsrisiko. 2022 kam es in Deutschland zu 4.500 hitzebedingten Todesfällen.

Im besonders heißen Sommer 2018 waren hierzulande laut Robert Koch-Institut (RKI) 8.700 Hitzetote zu beklagen. Meistens handelt es sich dabei um ältere Menschen mit Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, aber auch Säuglinge, Kinder und Schwangere, obdachlose Menschen und solche, die im Freien arbeiten. Angesichts der hohen Zahl der Todesopfer wird deutlich, dass hier in naher Zukunft ein massives Problem auf Deutschland zukommt. Denn als sicher gilt, dass uns noch längere und intensivere Hitzeperioden drohen.

Bisher ist Deutschland auf diese Entwicklung vergleichsweise schlecht vorbereitet. Zwar kann sich jeder Bürger mittels Wetter-Apps und in den Medien über die Tagestemperaturen informieren und entsprechend Maßnahmen treffen, um Büro- oder Wohnräume zu kühlen. Viel trinken, leichte Kost, körperliche Anstrengungen vermeiden – diese Empfehlungen sind weitgehend bekannt. Doch gerade bei den Risikogruppen steht Prävention oft nicht im Fokus. Wer im Gesundheitsbereich tätig ist weiß deshalb, dass Kreislauf-Probleme, Hitze-Erschöpfung und Hitzschlag an heißen Sommertagen sehr häufig auftreten. Alleine durch den demographischen Wandel und die fortschreitende Klimaerwärmung liegt es auf der Hand, dass die Opferzahlen weiter zunehmen werden.

Hitze wird nicht ernst genommen

Und was wird dagegen unternommen? Bisher haben nur wenige Kommunen Hitzeaktionspläne eingeführt. An eine Beteiligung der Gesundheitsberufe hat man dabei meistens nicht gedacht. Dabei spielen Mediziner und Pflegende eine zentrale Rolle bei der Behandlung von Hitzeerkrankungen und bei der Vermittlung präventiver Hitzekompetenz. Auf diese Problematik machen am Hitzeaktionstag (14. Juni 2023) die Bundesärztekammer gemeinsam mit dem Deutschen Pflegerat und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) aufmerksam.

So warnt Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt davor, dass Hitze als lebensgefährliches Gesundheitsrisiko in weiten Bevölkerungsteilen noch nicht bewusst wahrgenommen und präventive Maßnahmen bislang eine Ausnahme sind: „Die Ärzteschaft sieht sich mit in der Verantwortung, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Hitzeschutz gelingt aber nur gemeinsam. Daher muss der gesundheitliche Hitzeschutz als Pflichtaufgabe gesetzlich verankert werden, mit klaren Zuständigkeiten und Kompetenzen. Darüber hinaus sollten Kommunen, Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, Kitas, Schulen und Unternehmen noch in diesem Sommer erste pragmatische Schutzkonzepte umsetzen, um Hitzerisiken zu reduzieren. Wir stehen mit unserem Fachwissen bereit, um bei der Planung und Umsetzung der Maßnahmen zu helfen.”

Gesundheitskatastrophe droht

Auch Jana Luntz, Präsidiumsmitglied des Deutschen Pflegerats, rät dringend zu mehr Aktivität gegen die Hitze-Bedrohung: „Machen wir weiter so wie bisher, werden wir die Klimakatastrophe in vollem Ausmaß erleben und parallel dazu auch eine Gesundheitskatastrophe. Der Hitzeschutz ist nicht nur Gesundheitsschutz für die Bevölkerung. Er ist auch Gesundheitsschutz für Pflegebedürftige und deren Pflegende. Wir müssen endlich ins Handeln kommen. Das heißt auch, den professionell Pflegenden Mitspracherecht und Handlungsautonomie zu geben. Ihre Kompetenzen gilt es auszubauen und zu nutzen. Der Profession kommt eine enorme Bedeutung beim Hitzeschutz zu.“

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) Dr. Martin Herrmann setzt sich für mehr Sensibilisierung ein: „Hitzeschutz kann nur funktionieren, wenn an allen Stellen Menschen lernen die Hitzegefahren zu erkennen und aktiv werden. Der Hitzeaktionstag ruft deshalb bundesweit zu Aktionen und Informationsveranstaltungen des Gesundheitssektors auf.“

Hitzesymposien für Gesundheitseinrichtungen

Im Rahmen der Hitzeschutztag-Fachveranstaltung „Deutschland hitzeresilient machen – wir übernehmen Verantwortung“ werden gemeinsame Positionen, Forderungen und Maßnahmen vorgestellt und weiterentwickelt. In Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer, dem Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, dem Deutschen Pflegerat, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin und dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe veranstaltet KLUG drei Online-Hitzesymposien mit Fokus auf Gesundheitseinrichtungen (Hitzeschutz in Krankenhäusern, ambulanten Praxen, sowie in ambulanter und stationärer Pflege). 

Hier besteht fraglos dringender Handlungsbedarf: Das Gutachten des Sachverständigenrates Gesundheit & Pflege „Resilienz im Gesundheitswesen. Wege zur Bewältigung künftiger Krisen“ von Januar 2023 weist auf die bisher mangelnde Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens gegenüber Krisen wie Hitzewellen hin.

Obwohl Hitzeschutz öffentlich und politisch durchaus mehr Gehör findet, stockt die Umsetzung. Die 93. Gesundheitsministerkonferenz rief schon im Jahr 2020 zu einer flächendeckenden Erstellung und Umsetzung von Hitzeaktionsplänen in deutschen Kommunen bis 2025 auf. Geschehen ist bisher vielerorts kaum etwas. 

Die Forderungen für mehr Hitzeschutz in Deutschland von der Bundesärztekammer, Deutscher Pflegerat und KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V.:

1. Schaffung eines klaren gesetzlichen Rahmens für gesundheitlichen Hitzeschutz auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, in dem Hitzeschutz als Pflichtaufgabe verankert wird; Zuständigkeiten und Kompetenzen müssen geklärt werden. Dies gilt auch für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, sowie für Betriebe, Kitas und Bildungseinrichtungen. Einen solchen Rahmen kann das sich in Arbeit befindliche Klimaanpassungsgesetz schaffen.

In diesem gesetzlichen Rahmen sollte/n:
1.1. die Entwicklung, Umsetzung und Anpassung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit für Kommunen als Pflichtaufgabe gesetzlich verankert und Verantwortlichkeiten geklärt werden. Die Landesebene sollte die Umsetzung auf kommunaler Ebene durch Vernetzungs- und Beratungsangebote unterstützen. Vorhandene lokale Strukturen und Netzwerke vor Ort sollten für die Umsetzung bevorzugt genutzt werden.

1.2. Auch institutionelle Hitzeaktionspläne für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, Not- und Rettungsdienste sowie in allen Settings der Arbeitswelt als Pflichtaufgabe gesetzlich verankert werden.

1.3. Bei der Entwicklung und Umsetzung von Hitzeaktionsplänen sollten Gesundheitsämter – neben ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen – leitend oder maßgeblich eingebunden sein und entsprechend mit hinreichenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet werden. Damit sollte Hitzeschutz für den ÖGD zur Pflichtaufgabe werden.

1.4. Hitzeschutz muss ressortübergreifend geplant, umgesetzt und fortentwickelt werden. Einzubeziehen sind neben dem Gesundheitsressort vor allem der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sowie die Ressorts für Umwelt, Arbeit, Soziales, Bildung und Sport, Stadtplanung, Wasserversorgung und Gebäude, Mobilität und Verkehr.

2. Neben der Verankerung von gesundheitlichem Hitzeschutz in Gesetzen des Gesundheitsrechts ist Hitzeschutz auch in relevanten Gesetzen und Rechtsverordnungen anderer Sektoren zu berücksichtigen. Hierzu gehören insbesondere das Baurecht und das Arbeitsrecht.

3. Flächendeckende Hitzewellen können sich zu Großschadensereignissen und Katastrophen entwickeln. Dafür braucht es Strukturen und klare Zuständigkeiten in den Gesundheitsministerien von Bund und Ländern, um den gesundheitlichen Hitzenotstand gemeinsam mit den verantwortlichen Stellen im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz festzustellen, damit der Katastrophenfall ausgelöst werden kann. Dies beinhaltet klare Zuständigkeiten für Warnungen und Verhaltensmaßnahmen, multidisziplinäre Kompetenzzentren vergleichbar mit denen für die biologische Gefahrenabwehr, Konzepte und Ressourcen für Schutzmaßnahmen und eine Integration in Planungen des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes. Dazu gehören auch vorbereitende Planspiele und Übungen auf allen Verwaltungsebenen und mit den Akteuren des Katastrophenschutzes.

4. Ein staatlich finanziertes, und unabhängig agierendes Kompetenzzentrum für gesundheitlichen Hitzeschutz auf Bundesebene, das Wissen aus Wissenschaft und Praxis sammelt, auf kommunaler, Länder- und Bundesebene in der Umsetzung berät und Austausch zwischen den Akteurinnen und Akteuren fördert.