Versicherte wünschen digitale Gesundheitsservices

Gesetzlich Versicherte erwarten von ihrer Krankenkasse künftig ein ganzes Bündel an online oder per Smartphone nutzbaren Gesundheitsservices. Um die Bedeutung solcher Angebote in der gesetzlichen Krankenversicherung zu erfassen, befragte die Unternehmensberatung Bain & Company mehr als 3.400 Versicherte bei 18 großen Krankenkassen in Deutschland.

Unterstützung bei der Arzt- und Krankenhaussuche, Expertenberatung während einer Behandlung oder Reha und Gesundheits-Checks: Zwei von drei gesetzlich Versicherten in Deutschland erwarten, dass ihre Krankenkasse solche Dienstleistungen künftig über digitale Kanäle anbietet. Auch andere Online- und Mobile-Services sind gefragt. Die Studie „Die Erfolgsformel für Krankenkassen: Interagieren, intensivieren, differenzieren“ von Bain & Company verdeutlicht die Wichtigkeit digitaler Angebote in der gesetzlichen Krankenversicherung. 

Zahl der zufriedenen Kunden überwiegt

Die mit dem von Bain entwickelten „Net Promoter Score“ gemessene Kundenloyalität unterscheidet sich von Krankenkasse zu Krankenkasse deutlich. Besonders treue Kunden sind demnach bei der Techniker Krankenkasse, der AOK Plus sowie bei der Knappschaft vorhanden. Im Vergleich zur letzten Bain-Studie 2016 sind die Verfolger gerade im oberen Drittel näher herangerückt. Zudem haben viele der 2016 schlechter bewerteten Krankenkassen ihre Position verbessert. 

Entscheidend für einen hohen Loyalitätswert ist der Untersuchung zufolge regelmäßige Interaktion. Je weniger Zeit seit dem letzten Kontakt mit der Krankenkasse vergangen ist, desto ausgeprägter ist die Kundenloyalität. Doch auch Innovation ist ein wichtiger Treiber. Der Beitragssatz hingegen hat eine vergleichsweise geringe Bedeutung für die Kundentreue. „Mit dem Ausbau ihrer digitalen Services können Krankenkassen ihre Innovationskraft unter Beweis stellen und regelmäßige Interaktionen mit den Kunden erleichtern“, erklärt Dr. Christian Kinder, Bain-Partner und Co-Autor der Studie. „Beides fördert die Loyalität der Kunden.“ Dabei hat eine starke Kundenbindung unmittelbare wirtschaftliche Auswirkungen für die jeweilige Kasse. Je loyaler und zufriedener die vorhandenen Kassenmitglieder sind, desto mehr neue Versicherte kann eine Krankenkasse tendenziell pro Jahr gewinnen.

Griff zum Smartphone wird selbstverständlich

In puncto Interaktion ist für die Versicherten noch immer das persönliche Gespräch in der Geschäftsstelle am wichtigsten. Neben E-Mails werden künftig auch andere digitale Kanäle wie Websites, Apps und Onlinechats an Bedeutung gewinnen. Dies spiegelt sich auch in der hohen Erwartungshaltung der Versicherten in Bezug auf Online- und Mobile-Services wider. Rund 16 Prozent der unter 35-Jährigen nutzen bestehende Angebote bereits, bei den über 35-Jährigen sind es 11 Prozent. Studien-Co-Autorin Mareike Steingröver ist überzeugt: „Der Griff zum Smartphone oder Tablet wird in Zukunft auch bei Gesundheitsthemen zur Selbstverständlichkeit. Und die Krankenkassen können dabei zur bevorzugten Anlaufstelle zu werden.“

Ökosysteme mit zusätzlichen Gesundheitsservices werden diesen Trend verstärken und einen persönlichen, emotionalen Mehrwert für die Versicherten schaffen. Bislang überzeugen die gesetzlichen Krankenversicherungen am stärksten bei funktionalen Themen wie der Produkt- und Servicequalität oder der Angebotsauswahl. „Die Profile der Krankenkassen gleichen sich, eine klare Differenzierung fehlt bisher“, sagt Steingröver.  

Bonusprogramme als erster Schritt 

Gesundheitsökosysteme, die die Krankenkassen zunehmend aufbauen, werden das ändern. Ein Baustein sind Bonusprogramme, die eine gesunde Lebensweise honorieren. Krankenkassen arbeiten dafür mit verschiedenen Dienstleistern – beispielsweise Fitnessstudios – zusammen. So bieten sie ihren Kunden Leistungen, die über die klassische Versicherung hinausgehen. „Der Aufbau eines Gesundheitsökosystems ist für gesetzliche Krankenversicherer die größte strategische Herausforderung, um ihre Kunden auch in Zukunft an sich zu binden“, meint Studien Co-Autor Kinder.  

Darüber hinaus gelte es, den Kunden in den Mittelpunkt zu rücken und Kundenorientierung im Unternehmen wirklich zu leben. Mithilfe von Online- und Mobile-Services könne die Kontaktfrequenz auch zu solchen Kunden ausgebaut werden, die wenig Leistungen in Anspruch nehmen.