
Die Deutsche Telekom will die Digitalisierung des Gesundheitswesens beschleunigen. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) bietet dafür gute Chancen, stellt aber auch hohe Anforderungen. mednic sprach darüber mit Michael Waldbrenner, Chef der Deutsche Telekom Clinical Solutions GmbH.
Deutschland zählt europaweit zu den Nachzüglern für ein digitales Gesundheitswesen. Die Zukunft, sagt Michael Waldbrenner, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Clinical Solutions GmbH, gehört sektorübergreifenden Versorgungsszenarien, die alle Workflows, Medizingeräte und Patienten-Devices eng einbinden.
Nicht nur aktuell auf der virtuellen Fachmesse DMEA sehen die Verantwortlichen des Telekom-Gesundheitsbereichs im Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) und in den immer höheren digitalen Erwartungen der Bürger eine große Chance, dass auch hier zu Lande die digitalen Bremsen dauerhaft gelockert werden. Aber der Digitalisierungsweg ist nicht nur anspruchsvoll und steil, sondern er enthält bisweilen auch Schlaglöcher.
mednic.de: Herr Waldbrenner, was wird die Telekom bei der DMEA besonders thematisieren?
Michael Waldbrenner: Das große Thema im Krankenhausbereich ist das Krankenhauszukunftsgesetz (KZHG). Wir bieten förderfähige Lösungen zu den Fördertatbeständen 1 bis 6, 8 und 9 an, also quasi über das gesamte KHZG-Spektrum hinweg. Am stärksten nachgefragt sind Mobility-Konzepte. Außerdem die Anbindung von kooperierenden stationären und ambulanten Einrichtungen sowie Patientenportale. Als Telekom können wir die jeweiligen Lösungen mit Infrastrukturangeboten und Security-Dienstleistungen flankieren. Wir adressieren aber auch Bereiche des KHZG wie Hosting und Cloud, so dass wir als Full-Service-Anbieter agieren. Das ist sehr attraktiv für die Krankenhäuser, zumal die Umsetzung des KHZG eine echte Herausforderung ist.
„Der digitale Reifegrad der Kliniken muss vor Beginn des Förderprojektes gemessen werden“
Michael Waldbrenner
mednic.de: Welche Grundvoraussetzungen müssen Krankenhäuser erfüllen, um die größtmögliche Förderung zu erhalten?
Michael Waldbrenner: Die Krankenhäuser müssen eine Bestandsaufnahme und Digitalstrategie haben und dürfen mit der Umsetzung vor September 2020 nicht begonnen haben. Die Häuser müssen im aktuellen Krankenhausplan des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen sein. Reine Privatkliniken kommen für diese Fördermittel zum Beispiel nicht in Frage, wohingegen einige Belegarztkliniken, sofern im Krankenhausplan enthalten, ihre Digitalisierungsprojekte fördern lassen können. Der digitale Reifegrad der Kliniken muss vor Beginn des Förderprojektes gemessen werden und wird nach dessen Abschluss erneut überprüft. Dabei wird ein an das ‚Electronic Medical Record Adoption Model‘ (EMRAM) angelehntes System der Gesellschaft HIMSS (Health Information and Management Systems Society) angewendet. Dieses System unterteilt den digitalen Reifegrad von Krankenhäusern in acht Stufen. Auf Stufe 0 laufen alle Prozesse analog und auf Papier. Stufe 5 beispielsweise beschreibt eine Basisinstallation zu ‚closed loop medication‘. In Stufe 7 läuft alles digital. Ob eine deutsche Adaption des EMRAM-Modells eingeführt wird, bleibt abzuwarten.
mednic.de:Welche Partner müssen zusammen im Boot sitzen, damit KZHG-Fördergelder wirklich fließen?
Michael Waldbrenner: Zunächst einmal bedarf es den Willen und auch den Mut der Kliniken, diese KHZG-Themen auch wirklich anzugehen. Ohne deren Mitwirkung wird kaum ein Projekt erfolgreich über die Ziellinie gebracht. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir über komplexe Zusammenhänge und zum Teil sehr zentrale Prozesse sprechen, an deren Enden im Zweifel der Patient sowie dessen Wohlbefinden hängen.
In den meisten Fällen setzt sich die Partnerlandschaft für ein KHZG-Förderprojekt wie folgt zusammen: Neben der Klinik selbst braucht es eine zertifizierte Beratungsfirma, die dafür Sorge trägt, dass die Anträge fristgerecht und korrekt ausgefüllt zur Auszahlung der Fördergelder führen. Die Software-Hersteller haben im Vorfeld bereits dafür gesorgt, ihre Produkte anhand der MUSS- & KANN-Kriterien gemäß KHZG zu definieren, so dass die Berater diese Angaben als Basis für die Anträge verwenden können. Zur vollständigen Erfüllung der Fördertatbestände können wiederum auch Partnerschaften zwischen den Herstellern geschlossen werden. Die Telekom Healthcare Solutions gehört zu den Anbietern dieser digitalen Softwarelösungen, die nach erfolgreicher Antragsbewilligung für die Installation der vertraglich vereinbarten Produkte sorgen.
„Nicht mit der Gießkanne möglichst viele Fördertatbestände angehen“
Michael Waldbrenner
mednic.de: Wie viel Zeit bleibt noch für neue Förderanträge?
Michael Waldbrenner: Das hängt vom Bundesland ab. Deshalb kann ich das pauschal nicht beantworten. Die Bedarfsmeldungen sind in vielen Bundesländern inzwischen abgeschlossen. In Hamburg beispielsweise ist die Antragsfrist bereits verstrichen, während in anderen Bundesländern noch Zeit bis zur Abgabe ist oder die Abgabe bereits in zwei Stufen unterteilt wird. Die Antragsfrist in allen Bundesländern läuft Ende 2021 aus.
mednic.de: Was geschieht, wenn geförderte Vorhaben nicht schnell genug umgesetzt werden?
Michael Waldbrenner: Es gibt keine Kulanz, aber auch noch kein exaktes Vorgehen für die Anwendung der Malusregelung. Wir empfehlen unseren Kunden, nicht mit der Gießkanne möglichst viele Fördertatbestände anzugehen, sondern nur einige und diese dann fokussiert.
mednic.de: Sie sagen, dass einige Bundesländer im Hinblick auf das KZHG auf „merkwürdigen föderalen Sonderwegen“ unterwegs sind. Was konkret meinen Sie damit?
Michael Waldbrenner: Zwei Beispiele: Hamburg wollte die Bedarfsmeldungen bereits im Januar 2021 vorliegen haben. NRW hat auf sehr detaillierte Angebote bestanden. Dort reicht es zum Beispiel nicht, auf Anlagen zu verweisen. Der Antrag muss selbsterklärend sein, auch Verbundanträge sind nicht gestattet. So gibt es in jedem Bundesland Spezifika, welche insbesondere für Klinikgruppen, deren Häuser in unterschiedlichen Bundesländern liegen, große Genauigkeit und intensivste Prüfungen verlangen.
„Die Sektorgrenzen werden in den kommenden Jahren langsam verschwinden“
Michael Waldbrenner
mednic.de: Sie bringen für die Zukunft auch andere Finanzierungsansätze ins Spiel. Was meinen Sie mit dem Stichwort „Population Health Management“?
Michael Waldbrenner: Wir gehen schon davon aus, dass die Sektorgrenzen in den kommenden Jahren langsam verschwinden werden. Das bedeutet, dass die aktuell klar abgegrenzten Bereiche wie zum Beispiel Kliniken, Pflegeheime, Reha-Einrichtungen oder auch Versorgungszentren nach und nach stärker miteinander verknüpft beziehungsweise verschmelzen werden. Sollte dies so kommen, müssen auch Aspekte wie zum Beispiel KV-Abrechnungen neu gedacht oder geändert werden.
mednic.de: In der Politik wird die Privatisierung kommunaler oder anderer, öffentlicher Krankenhausträger ja kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite wird kommunalen Kliniken oft vorgeworfen, zu wenig für effiziente Betriebsabläufe zu tun. Aber führt andererseits nicht ein privatisierter Klinikbetrieb am Ende immer dazu, dass auf Kosten der Mitarbeiter und Patienten möglichst viel Gewinn erwirtschaftet werden muss?
Michael Waldbrenner: Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Ich gehe davon aus, dass es auf absehbare Zeit einen öffentlichen Auftrag und passende Leistungserbringer geben muss. Und daneben wird es weiterhin private Kliniken geben, die auch ihre Daseinsberechtigung haben. Für mich ist das keine Entweder-Oder-Situation. Eine kluge Kombination beider Systeme zum größtmöglichen Patientenwohl wäre eine mögliche Option.
Die Deutsche Telekom Clinical Solutions GmbH und die Deutsche Telekom Healthcare Solutions GmbH sind hundertprozentige Töchter der T-Systems und damit auch der Deutsche Telekom AG.