Per fokussiertem Ultraschall wollen Mediziner künftig Tumoren in Organen behandeln, die sich bewegen. Dazu gehört beispielsweise die Leber.
Als Diagnoseverfahren wird Ultraschall bereits seit längerem angewandt. Relativ neu hingegen ist der Einsatz von Ultraschall zu therapeutischen Zwecken. Dabei werden die Schallwellen so stark gebündelt, dass sie erkranktes Gewebe – vor allem Tumorzellen – regelrecht veröden und damit unschädlich machen. Dieses Verfahren hat für Patienten mehrere Vorteile: Die Behandlung läuft komplett nicht-invasiv und ohne Narkose, zudem gibt es keine Operationswunden. Allerdings ist das Verfahren bislang nur für wenige Indikationen zugelassen, beispielsweise für die Behandlung von Prostatakrebs, Knochenmetastasen und Gebärmuttermyomen. Zur Therapie von Organen, die sich mit der Atmung bewegen, taugt die Methode bisher nur ansatzweise: Der Patient müsste dafür zuverlässig die Luft anhalten können oder aber in Vollnarkose versetzt werden, damit die Ärzte die Atmung gezielt kontrollieren können.
Forscher des EU-Projekts TRANS-FUSIMO, koordiniert vom Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS, verfolgen einen anderen Weg: Sie führen den Ultraschallstrahl der Leber in ihrer Bewegung nach. Dadurch soll der Tumor effektiv getroffen und gleichzeitig das umliegende Gewebe verschont werden. Die Basistechnologie für die neue Methode ist nun fertig und wurde von den Forschern jetzt auf dem Europäischen Radiologenkongress ECR in Wien vorgestellt.
Vorausschauende Software behält Lebertumoren im Visier
Das Prinzip: Der Patient liegt während der Behandlung in einem MR-Scanner, der jede Zehntelsekunde ein Bild von der augenblicklichen Lage der Leber liefert. Gleichzeitig befindet sich auf dem Bauch des Patienten der Schallgeber – eine Scheibe bestückt mit mehr als 1.000 kleinen Ultraschallsendern. Sie können so gesteuert werden, dass sich ihre Wellen präzise in einem reiskorngroßen Punkt im Tumor treffen. Erst dort entfalten sie den Forschern zufolge ihre zerstörerische Wirkung – die Krebszellen werden quasi zerkocht. Der MR-Scanner kontrolliert diesen Prozess. Er misst die Temperatur in der Leber und prüft, ob an der richtigen Stelle lange genug erhitzt wurde. Allerdings gibt es dabei ein Problem: „Jede Zehntelsekunde ein Lagebild von der Leber zu erhalten, genügt nicht, um den Ultraschallstrahl zuverlässig nachführen zu können“, so Projektmanagerin Sabrina Haase, Mathematikerin am Fraunhofer MEVIS. Deshalb haben die Wissenschaftler eine Software entwickelt, die ein wenig in die Zukunft schaut und berechnet, wo genau sich die zu beschallende Region im nächsten Augenblick befindet. Das Programm bestimmt den Weg, den der Ultraschall nehmen muss, damit er den Lebertumor trotz der Atembewegung im Visier behält. Die Herausforderung beim Schreiben der Software bestand darin, dass sie in Echtzeit und gleichzeitig höchst zuverlässig laufen muss.
Eine weitere Schwierigkeit lag darin, dass vor der Leber die Rippen liegen. Um sie zu schonen, werden gezielt die Elemente im Schallgeber ausgeschaltet, die die Rippe ansonsten beschallen würden – als würde man bei einem Duschkopf jene Löcher zuhalten, deren Wasserstrahlen in eine unerwünschte Richtung zielen. „Wir haben die technische Entwicklung nun abgeschlossen und bereits erste Tests gemacht“, sagt Haase. Dabei hat ein Roboterarm ein Gel-Präparat im MR-Scanner hin- und herbewegt und dadurch das Auf und Ab der Leber im Körper simuliert. Gleichzeitig wurde das Gel-Phantom fokussiertem Ultraschall ausgesetzt, wobei der MR-Scanner die Temperaturverteilung erfasste. Die Ergebnisse übertrafen die Erwartungen der Wissenschaftler.
Mitte 2018 sind daher im Rahmen die ersten Testbehandlungen mit Patienten geplant. Danach könnte – gemeinsam mit einem Industriepartner – die Zulassung als Medizinprodukt in Angriff genommen werden. Bewährt sich die Methode, könnten unter Umständen zukünftig auch andere Organe behandelt werden, die sich mit jedem Atemzug bewegen – Niere, Bauchspeicheldrüse oder sogar die Lunge.