Smartes Pflaster unterstützt Atmung von Frühchen

Links: Dehnbares Sensorpflaster mit 36 integrierten Biegesensoren, das in einem vorangegangenen, vom BMBF geförderten Projekt entwickelt wurde. Rechts: Beatmungspuppe mit dem aufgebrachten Sensorpflaster. (Foto: Eugen Koch / TU Braunschweig)

Ein intelligentes Pflaster soll künftig dabei helfen, Geräte zur Beatmung von Frühgeborenen besser und zuverlässiger als bisherige Systeme zu steuern. Das Verbundprojekt smartNIV will das neuartige Sensorsystem entwickeln.

Bei frühgeborenen Kindern, deren Lungen sich noch in der Entwicklung befinden, ist die lebensnotwendige Atemunterstützung eine besondere Herausforderung. Eine Atemunterstützung, die sich an die Eigenatmung der Frühgeborenen anpasst, führt laut Studien zu besseren Langzeitergebnissen. Hier setzt das Projekt smartNIV (schonende Nicht-Invasive Beatmung) an. Das neue Sensorsystem soll dabei helfen, Beatmungsgeräte besser und zuverlässiger zu steuern. Die Neonatologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) leitet die klinischen Studien zur Entwicklung und Erprobung dieses neuen Sensorsystems. Darüber hinaus sind das das Institut für Mikrotechnik (IMT) der Technischen Universität Braunschweig sowie drei industrielle Entwicklungspartner beteiligt. 

Millisekunden zählen

Damit sich Beatmungsgeräte optimal an die Eigenatmung von Frühgeborenen anpassen können, gilt es, die einzelnen Phasen der Atmung Millisekunden-genau erfasst werden. Im Verbund smartNIV arbeiten die Projektpartner deshalb an einem nichtinvasiven Beatmungssystem. Es nimmt die Atembewegungen bei Früh- und Neugeborenen über ein hochelastisches, intelligentes Pflaster auf und gibt sie an ein Beatmungsgerät weiter.

In einem früheren Projekt hatte die Neonatologie der UMG gemeinsam mit dem Institut für Mikrotechnik der TU Braunschweig in bereits erste Versionen von intelligenten Pflastern entwickelt, mit denen sich die Verformung des Brustkorbs Neugeborener prinzipiell darstellen lässt. Auf diesen Erkenntnissen baut das Projekt smartNIV auf.

Hochelastisches Sensor-Pflaster

Der Einsatz hochelastischer Materialien soll dafür sorgen, dass ich das neue Sensorpflaster optimal an die Atmung von Frühgeborenen anpasst. Das Pflaster enthält ein dünnes Netzwerk von Sensoren. Aufgebracht wird es auf die Haut der Neugeborenen zwischen Brust und Bauch. „Dort soll es die mechanischen Verformungen des Brustkorbs, die durch die Eigenatmung der Neugeborenen verursacht werden, mithilfe der integrierten Sensoren messen“, sagt Prof. Dr. Andreas Dietzel, Leiter des Institut für Mikrotechnik. Ein System künstlicher Intelligenz werde die Sensordaten auswerten und ein adaptives, also ein sich anpassendes, Steuersignal an das Beatmungsgerät senden. „Eine derart schonende Beatmung, die über ein dünnes und kostengünstiges Sensorpflaster ohne Bewegungseinschränkung gesteuert wird, gibt es bisher noch nicht“, so Prof. Dietzel.

Mit einem solch neuartigen Beatmungssystem würde die gesamte Beatmungskurve, von Beginn der Einatmung bis zum Ende der Ausatmung sowie die Intensität der Atemanstrengungen dazwischen, aufgezeichnet. „Erstmals könnte es möglich sein, die Atemanstrengungen von Neugeborenen auch bei nicht-invasiver Beatmung millisekundengenau zu unterstützen. Bisher ist dies nur bei invasiver Beatmung möglich“, sagt Dr. Helmut Küster, Leiter der Neonatologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – Pädiatrische Kardiologie, Intensivmedizin und Pneumologie an der UMG.

Mehrere Sensoren

Im smarten Pflaster sollen mehrere Sensoren Daten liefern. Dadurch sollen sich die Bewegungen eines Neugeborenen sicherer von seinen Atembewegungen unterscheiden lassen, damit ein zuverlässiges Signal übermittelt werden kann. Zudem hat das Konzept mit den mehreren Sensoren noch einen weiteren Vorteil: Das System würde auch dann noch funktionieren, wenn einige Sensoren ausfallen.

Auch die geplante Steuerung mittels künstlicher Intelligenz ist den Forschern zufolge eine Besonderheit. „Zurzeit gibt es kein vergleichbares System, das sich automatisch an die Beatmungssituation anpassen kann“, sagt Dr. Eugen Koch vom Institut für Mikrotechnik der TU Braunschweig. Herkömmliche Systeme seien fest programmiert und daher beim Auftreten unerwarteter Bewegungen sehr störanfällig.

Das Projekt smartNIV wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über 1,2 Millionen Euro für zweieinhalb Jahre gefördert. Das Projektkonsortium besteht aus fünf Partnern. Neben der Universitätsmedizin Göttingen und dem Institut für Mikrotechnik der TU Braunschweig sind das Softwareunternehmen msg DAVID, der Medizinprodukthersteller Löwenstein und als Verbundkoordinator das Auftragsunternehmen für Medizintechnik Activoris beteiligt.