Blick in die Sportmedizin von morgen

Langzeitblutdruckmessung ohne Manschette von Aktiia, vorgestellt auf der Medica 2019. (Foto: MEDICA/Messe Düsseldorf)

Zukunftskonzepte in der Sportmedizin – Weltraummedizin, Performance und KI bieten will die Medica Medicine + Sports Conference. Sie findet 18. und 19. November 2020 im Rahmen der Messe Medica in Düsseldorf statt.

Digitale Zwillinge gehören zum Leistungssport der Zukunft. Prof. Björn Eskofier von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist ein Experte auf dem Gebiet der Mustererkennung und Analyse von Daten. Im Rahmen der Konferenz zeigt er auf, wie und wo digitale Zwillinge im Sport heute und zukünftig zum Einsatz kommen. Künstliche Intelligenz wird auch von Prof. Dr. Roger Abächerli, Hochschule Luzern, in diagnostischen Systemen angewandt. Wie er KI bei der Auswertung von kardiologischen Daten einsetzt, thematisiert er in seinem Konferenzbeitrag im November in Düsseldorf. 

Die Herausforderungen an das Training für den Aufenthalt im Weltraum schildert dann Prof. Volker Damann. Er ist Inhaber des Lehrstuhls „Human Performance in Space“ an der Internationalen Raumfahrt-Universität in Straßburg. Als Teamarzt unterstützte er zahlreiche Sojus- und Space-Shuttle-Missionen. Weltraumpiloten sind allgemein zwar kerngesunde Menschen. Aber der außerirdische Aufenthalt bedeutet für sie dennoch große gesundheitliche Herausforderungen, wie sie auf der Erde etwa bei chronischen Erkrankungen oder als Begleiterscheinungen des Alterns auftreten. Dazu zählen Übelkeit, Schwindel, Schweißausbrüche, Knochenabbau, Muskelschwund, Herzbeschwerden. Ein Weltall-Training wirkt dem entgegen – und viele Erkenntnisse daraus lassen sich auf Leistung und Regeneration hinsichtlich irdischen Sports übertragen. Das wird Prof. Damann in Düsseldorf konkretisieren.

KI zur Leistungsverbesserung

Wie sich Künstliche Intelligenz (KI) zukunftsweisen zur Verbesserung der Leistung und Regeneration einsetzen lässt, ist ebenfalls ein Thema der Veranstaltung. So setzt Karl Schwarzenbrunner die KI für die Spielanalyse beim Eishockey ein. Der Leiter der Abteilung Bildung und Wissenschaft beim Deutschen Eishockey-Bund hat ein System im Einsatz, das über Wearables erhobene Spielerdaten mit den Daten eines autonomen Kamerasystems vernetzt und in Echtzeit auswertet. 

Das System muss dazu nicht nur die eigenen Spieler und die Spieler des Gegners erkennen. Auch der Puck und einige Parameter etwa für einen „Line Rush“ müssen definiert und erfasst werden. Zusätzlich werden Fragebögen eingesetzt, die das subjektive Leistungsvermögen und die Regeneration erfassen. Die Daten werden genutzt, um ein aktives Regenerationsmanagement zu betreiben, Verletzungen zu vermeiden und letztlich die Leistung zu optimieren. 

Früherkennung bei Gehirnerschütterung

Bereits im Freizeitsport eingesetzt werden kann die „GET-App“. Durch einfach anzuwendende Tests unterstützt diese App Sportler, Trainer, Lehrer, Physiotherapeuten, Betreuer, Lehrer und Eltern bei der Früherkennung von Gehirnerschütterungen im Sport. Innerhalb von wenigen Minuten kann die Möglichkeit einer Gehirnerschütterung ermittelt werden.

Kognitives Training als Teil des Erfolgs 

Die mentale Seite des Gewinnens beleuchtet Dr. med. Lutz Graumann. Er geht der Frage nach, inwiefern die Zukunft der Medizin von den Lehren aus den Formel-1-Rennen profitieren kann und schildert die Bedeutung des kognitiven Trainings für den Erfolg. Denn klar ist: Für den Sieg bedarf es mehr als nur körperliche Fitness. Das gilt besonders für Teamsportarten – zu denen auch Rudern (insbesondere im Achter) zählt. Hier war Deutschland immer wieder sehr erfolgreich. Dazu hat Florian Mennigen als ehemaliger Profisportler, mehrfacher Weltmeister sowie Olympiasieger im Achter, viel beigetragen. Er arbeitet als klinischer Psychologe und wird in Düsseldorf darauf eingehen, wie Gewinner-Teams aufgebaut werden. Im Achter sind die Synchronisierung der Bewegungen und gemeinsame mentale Modelle wichtig. Wie das gehen soll, erläutert Mennigen bei der Konferenz. 

Individualisierung von Trainingsprogrammen

Dr. med. Theodora Papadopoulou aus Großbritannien wird die Bedeutung des „Bio-Psycho-Sozialen-Modells“ in der Sportmedizin erklären. Die Generalsekretärin der European Federation of Sports Medicine Associations (EFSMA) hat diesen ganzheitlichen Systemansatz für die Sportmedizin weiterentwickelt. Denn im Spitzensport werden bislang Gesundheit, Verletzung und Krankheit immer noch vor allem aus biomedizinischer bzw. physiologischer Perspektive betrachtet. Zugleich ist eine „Kultur des Risikos“ zu konstatieren, derzufolge die Gesundheit gleichzeitig gesichert und riskiert werden müsse zum Erreichen von Höchstleistungen. Um damit jedoch umgehen zu können, sollten neben biomedizinischen auch die psychische Fitness und soziale Faktoren in Diagnostik und Therapie integriert werden. 

Papadopoulou will darlegen, wie sie diese Simultandiagnostik und -therapie in der Sportmedizin umsetzt. Zur gesamtheitlichen Sichtweise gehört auch der Blick auf die Ernährung. Dr. Silvia Kolossa, Loewi, gibt Fallbeispiele für besondere Bedarfe und die Individualisierung der Ernährung im Rahmen des Leistungssports. Auf die individualisierte Injektionstherapie und auch den Einsatz von Okklusionstraining in der Rehabilitation gehen PD Dr. Peter Brucker, Teamarzt des deutschen Skiteams und Dr. med. Ralf Doyscher, Teamarzt von Borussia Mönchengladbach, sowie Prof. Dr. Borja Muniz von der Universität Zaragoza ein. 

Studie zu digitalen Technologien

Dr. Katharina Schöttl von der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in München, untersucht die Nutzung von digitalen Technologien durch Sportler, Trainer sowie Teamärzte. In Düsseldorf will sie erstmals die Ergebnisse ihrer Studie vorstellen. Prof. Dr.-Ing. Stephan Odenwald (Technische Universität Chemnitz) setzt solche Technologien ein, um Bewegungsabläufe von Sportlern zum Beispiel im Eisschnelllauf zu analysieren und die Regeneration und Prävention von Verletzungen zu optimieren. Mit Hilfe von Sensoren ermittelt er unter anderem, wie groß die Wucht ist, mit der ein Sportler auf dem Eis aufkommt. So lassen sich Bewegungsabläufe direkt beim Training dokumentieren und im Sinne der Prävention verbessern. 

Neue Ansätze

Evidenzbasierte Diagnostik und tragbare Technologien stehen ebenfalls auf dem Programm. Jürgen Scharhag, Leiter des Instituts für Sportmedizin an der Universität Wien, will auf der Veranstaltung Überblick einen über den aktuellen Stand in der Sport-Kardiologie geben. PD Dr. Christian Werner aus Bad Homburg will in seinem Vortrag erläutern, wie sich körperliche Aktivität auf die Zellalterung auswirkt. 

Seit rund zwei Jahren entwickeln internationale Sportmediziner im Auftrag europäischer Sportmedizinvereinigungen einen globalen Standard für Wearables im Sport- und Fitnessbereich. Für wen dieses Prüfsiegel relevant ist und was gemessen wird, zeigt Prof. Dr. Yannis Pitsiladis von der Universität Brighton und Leiter des „Sub2“-Marathon-Projekts auf. 

Schlafdauer und -qualität werden von vielen Wearables gemessen. Beide Parameter beeinflussen die Leistungsfähigkeit und Regeneration. Prof. Jürgen Götze von der Technischen Universität Dortmund zeigt den aktuellen Stand der Forschung in der Schlafdiagnostik auf sowie neue Ansätze, die mehr Ein- und Durchblick in das komplexe Thema Schlaf ermöglichen. 

Digitale Biomarker der nächsten Generation

Zunehmende Bedeutung für evidenzbasierte Diagnostik erlangen digitale Biomarker, erkennbare Daten-Muster aus verschiedenen Quellen, aus denen ein diagnostischer oder prognostischer Nutzen gewonnen werden kann. Schweiß könnte dabei eine Quelle für die nächste Generation an digitalen Biomarkern werden. Einzelheiten erläutert Dr. Noé Karl Brasier von der Universitätsklinik Basel in seinem Konferenzbeitrag erläutern wird. 

Informationen und Programmhinweise zur 8. Medica  Medicine + Sports Conference stehen online zum Abruf zur Verfügung.