Geht es nach Forschern aus Erlangen und Nürnberg, dann sollen Schwangere einige Vorsorgeuntersuchungen schon bald bequem zuhause durchführen und die Werte via App an gynäkologisches Fachpersonal weiterleiten können.
Per Smartphone-App die Herztöne des Fötus aufzeichnen oder ein Ultraschallbild erstellen, das könnte für Schwangere bald ohne einen Besuch bei ihrem Frauenarzt oder in der Klinik möglich werden. Die technischen Grundlagen für ein solches Angebot an werdende Eltern erforschen nun das Mit digitaler Unterstützung sollen Schwangere schon zukünftig einige Untersuchungen zuhause durchführen können. Universitätsklinikum Erlangen und die Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) im Rahmen des Projektes SMART Start. Bundesministerium für Gesundheit fördert das Projekt mit rund 3,2 Millionen Euro.
„Mit Förderprojekten wie diesem sind wir in der Lage, äußerst wichtige Impulse für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland zu setzen“, sagt Prof. Dr. Bjoern Eskofier, einer der Koordinatoren des Projekts und Inhaber des Lehrstuhls Informatik 14 für Maschinelles Lernen und Datenanalytik der FAU.
Derzeit wird die Vorsorge bei Schwangeren noch komplett analog durchgeführt. Jedes Untersuchungsergebnis und jeder Befund werden ausgedruckt und in einen Mutterpass in Heftform eingeheftet. „Dieser Papierwust ist anfällig für Verlust und Beschädigung und wichtige Werte können leicht übersehen oder vergessen werden“, fasst Stefan Gradl, Doktorand am Lehrstuhl von Prof. Eskofier, die Nachteile zusammen.
Digitale Lösung zur Schwangerschaftsbegleitung
Digitalisierung soll dabei helfen, die Begleitung der Schwangerschaft künftig smart zu gestalten. Mit einer digitalen Lösung könnten im Idealfall sogar auf einer breiten Datenbasis in Zukunft sinnvolle Handlungsempfehlungen für alle erdenklichen Situationen im Verlauf einer Schwangerschaft abgeleitet werden. Dabei sollen Wearables wie Smartwatches zum Einsatz kommen die, die einfach anzuwenden sind. Außerdem können die Teilnehmerinnen verschiedene Geräte für zu Hause nutzen. Dazu zählen neben einem Kontraktions-Tracker des Start-ups Bloomlife auch tragbare Ultraschallsonden. In einer klinischen Studie mit 500 Probandinnen sollen diese Möglichkeiten nun getestet werden. Durchgeführt wird die Studie in der Frauenklinik des Uni-Klinikums Erlangen.
Nutzungsfreundlichkeit im Fokus
„Der Zweck der Studie besteht darin herauszufinden, wie wir es Schwangeren möglichst leicht machen können, gängige Vorsorgeuntersuchungen selbst durchzuführen“, sagt Dr. Hanna Hübner, die für das Management der Studie an der Frauenklinik des Uni-Klinikums Erlangen zuständig ist. Am Ende der Forschungsarbeit soll die Entwicklung einer möglichst benutzerfreundlichen App stehen.
Die App soll die Aufzeichnung und Auswertung von Messergebnissen ermöglichen sowie sie an gynäkologisches Fachpersonal weiterleiten können. Die Programmierung der App übernimmt die Firma Refinio . Mithilfe der gesammelten Daten wollen die Forscher Maßnahmen für eine bessere Einbindung einer achtsamkeitsbasierte Stressreduktion in die Schwangerenvorsorge entwickeln. Wie das funktionieren kann, wird an der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik des Uni-Klinikums Erlangen untersucht.
Gesundheitswesen entlasten
Fortschritte hin zu einer Optimierung in der Schwangerenvorsorge sind unbedingt erforderlich, sagt Dr. Patrick Stelzl. Der stellvertretende Oberarzt betreut die Studie an der Frauenklinik des Uni-Klinikums Erlangen unter medizinischen Gesichtspunkten. „Unser Ziel ist nicht, den persönlichen Kontakt zu Ärzten und Hebammen zu ersetzen und die Schwangeren der Technik zu überlassen“, so der Facharzt für Frauenheilkunde. Er will eine Entlastung für alle Beteiligten schaffen. „Wenn sich der Aufwand für routinemäßige Untersuchungen auf der einen Seite reduziert, werden auf der anderen Seite Ressourcen frei, um sich intensiver mit komplizierten Schwangerschaftsverläufen zu beschäftigen“, ist Dr. Stelzl überzeugt.
Digitale Angebote sind ein wichtiger Baustein, um die Versorgung in Gegenden mit geringer Facharztdichte sicherzustellen. Denn während es 1991 bundesweit noch über tausend stationäre Geburtshilfeeinrichtungen gab, sind es heute nur noch rund 700.
Sicherheit entscheidend
Im Rahmen der Studie wollen die Forscher erheben, wie sich Anwendungsfehler minimieren lassen. „Wichtig ist, dass bei allen Vorteilen der neuen Technologien die Sicherheit der Schwangeren stets gewährleistet ist“, sagt Prof. Dr. Peter A. Fasching von der Frauenklinik. Für die Akzeptanz des neuen digitalen Angebots spielen neben Datenschutzfragen auch ethische Aspekte eine große Rolle. Deshalb ist auch der Lehrstuhl für Systematische Theologie II (Ethik) der FAU in das Projekt einbezogen. Der Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement soll die organisatorische Herausforderung und die Kosten untersuchen, die aus einer flächendeckenden Versorgung mit der digitalen Variante des Mutterpasses entstehen würden.