Schnellere Herstellung von „Tot-Impfstoffen“

Für ein effizienteres, schnelleres und umweltfreundlicheres Herstellungsverfahren von Vakzinen erhalten sie den Fraunhofer-Preis „Technik für den Menschen und seine Umwelt“: Frank-Holm Rögner, Dr. Sebastian Ulbert, Dr. Jasmin Fertey und Martin Thoma (v.l.n.r.). (Foto: © Fraunhofer / Piotr Banczerowski)

Ein neues Verfahren könnte die Herstellung von „Tot-Impfstoffen“ beschleunigen. Statt die Viren mit toxischen Chemikalien zu lagern, werden die Erreger bei diesem Verfahren mit energiearmen Elektronen inaktiviert.

Impfstoffe sind derzeit ein großer Hoffnungsträger. Zwar liegt der Fokus momentan klar auf dem Corona-Virus – doch sind Impfstoffe gegen andere Krankheitserreger ebenfalls elementar. Ein Forscherteam aus drei Fraunhofer-Instituten hat nun ein neues Verfahren zur Produktion inaktivierter „Tot-Impfstoffe“ entwickelt, mit dem sich Vakzine künftig nicht nur schneller, sondern auch umweltfreundlicher, effizienter und kostengünstiger herstellen lassen als bisher. 

Viren in Millisekunden abtöten

Bislang basiert die Herstellung von Tot-Impfstoffen auf Chemikalien: Die Krankheitserreger werden mit toxischen Chemikalien gelagert, vor allem mit Formaldehyd. Das geschieht so lange, bis die Erbinformation der Viren gänzlich zerstört ist und sie sich nicht mehr vermehren können. Diese Form der Inaktivierung ist allerdings in mehrfacher Hinsicht problematisch: Zum einen zerstört die Chemikalie auch einen Teil der Außenstrukturen. Diese Strukturen benötigt das Immunsystem benötigt, um die Antikörper zu bilden. Zum anderen kommen bei der Impfstoffherstellung im industriellen Maßstab große Mengen der toxischen Chemikalien zusammen. Zudem kann es je nach Virus Wochen, oder sogar Monate dauern, bis die Viren tatsächlich „abgetötet“ sind.

Bei dem neuartigen Ansatz des Fraunhofer-Expertenteams gibt es diese Nachteile nicht. „Statt die Viren über toxische Chemikalien zu inaktivieren, beschießen wir sie mit Elektronen“, erläutert Dr. Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI. „Die Außenhülle der Viren bleibt dabei fast vollkommen intakt, wir haben keine Chemikalien, die entsorgt werden müssen, und der ganze Prozess dauert nur einige Sekunden.“ 

Nur mit anspruchsvoller Anlagentechnik möglich

Allerdings mussten die Forschenden für ihre neue Methode eine entscheidende Hürde meistern. So können die Elektronen können nur wenige hundert Mikrometer tief in Flüssigkeiten eindringen, wobei sie zunehmend an Energie verlieren. Sollen in der Flüssigkeit umherschwimmende Viren durch die Elektronen zuverlässig abgetötet werden, darf der Flüssigkeitsfilm also nicht dicker als etwa 100 Mikrometer sein – zudem muss er gleichmäßig transportiert werden. „Dafür war eine anspruchsvolle Anlagentechnik vonnöten, aus diesem Grund haben wir das Fraunhofer IPA mit ins Boot geholt“, so Frank-Holm Rögner vom Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP.

Auf dem Weg zur industriellen Anwendung

Am Fraunhofer IPA entwickelte Martin Thoma gleich zwei Ansätze, um diese Herausforderung zu bewältigen. „Das Beutelmodul eignet sich für aussagekräftige Vorversuche, das Rollenmodul dagegen punktet bei größeren Mengen“, beschreibt der Diplom-Physiker. An diesem Aufbau testete Dr. Jasmin Fertey vom IZI unter anderem Influenza-, Zika- und Herpes-Viren sowie zahlreiche Bakterien und Parasiten, die via Beutel- und Rollenmodul mit gezielt beschleunigten Elektronen behandelt wurden. „Wir konnten alle Erregerklassen erfolgreich und sicher inaktivieren“, so die Biologin.

Der Prototyp wurde bereits 2018 fertiggestellt, am Fraunhofer IZI in Betrieb genommen und weiterentwickelt. 2020 gewannen die Forschenden Lizenzpartner und sicherten vertraglich Lizenzerträge von knapp einer Million Euro. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die kühlschrankgroßen Herstellungsmodule in fünf bis sieben in die pharmazeutische Produktion integriert werden können. Dann lassen sich Impfstoffe schnell, effizient und gleichzeitig umweltfreundlich produzieren.