Multiresistente Erreger schneller bestimmen

Multiresistente Erreger sind häufig der Grund dafür, dass eine Sepsis eskaliert und der Betroffene stirbt. Damit Ärzte künftig schneller ein wirksames Medikament verabreichen können, haben Forscher jetzt ein Schnellverfahren entwickelt, dass die Untersuchung auf Antibiotikaresistenzen erheblich verkürzen soll. Während eine solche Bestimmung bislang mehrere Tage dauerte, soll es nun auf nur noch neun Stunden verkürzen lassen.

Das gelingt mit Hilfe eines Chips, den Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT gemeinsam mit Partnern im Projekt PathoSept entwickelt haben. Auf diesem Chip lässt sich das Wachstumsverhalten von Bakterien unter dem Einfluss von Antibiotika analysieren. Um schnell und gleichzeitig kosteneffizient Ergebnisse zu erhalten, werden unterschiedliche Verfahren kombiniert. „Aufgrund der phänotypischen und genotypischen Variabilität ist heutzutage kein einzelnes diagnostisches Verfahren in der Lage, durchweg verlässliche Ergebnisse zu liefern“, sagt Fouad Bitti, Wissenschaftler am Fraunhofer FIT. Das neue Komplettsystem, mit dem sich multiresistente Keime detektieren lassen, besteht aus vier Modulen: Neben einem Anzuchtmodul zur kontrollierten Vermehrung von Erregern umfasst es Protokolle zum Separieren der Erreger sowie hochsensitive Assays, mit denen die Erreger per qPCR identifiziert werden – einer Vervielfältigungsmethode für Nukleinsäuren, die auf dem Prinzip der herkömmlichen Polymerase-Kettenreaktion (PCR) basiert. Herzstück des Systems ist ein Wachstumsmonitor zur schnellen Quantifizierung der Resistenzen, eine Entwicklung des Fraunhofer FIT. Auch das Anzuchtmodul wurde von den Forschenden am FIT entwickelt.

Multiresistente Erreger Software-unterstützt bestimmen

Im Aufzuchtmodul werden die Erreger auf eine kritische Menge vermehrt und danach in 96 Töpfchen mit Antibiotikum und Nährmedium gegeben. Der Wachstumsmonitor samt der notwendigen Analyse-Software beobachtet und dokumentiert in Echtzeit, wie sich die Erreger entwickeln. Algorithmen werten die aufgenommenen Bilder der Bakterien aus und extrapolieren die Wachstumskurve. So kann innerhalb weniger Stunden ermittelt werden, ob das jeweils eingesetzte Medikament wirkt oder ob die Bakterien dagegen resistent sind und sich ausbreiten. Der Wachstumsmonitor berechnet mit seiner Software, wie sich die Erreger längerfristig entwickeln werden. Dazu analysiert das Programm sowohl die Größe des Bakterienteppichs – woraus man eins zu eins auf die Anzahl der Bakterien schließen kann – als auch das Verhältnis von lebenden zu abgetöteten Keimen. Dadurch lässt sich ablesen, welches Antibiotikum die Erreger am schnellsten abtötet, welche Konzentrationen erforderlich sind und welches Bakterium Resistenzen ausgebildet hat. „Damit ist eine gezielte Therapie möglich – ein großer Vorteil, wenn man bedenkt, dass Ärzte derzeit einen Cocktail an Antibiotika verabreichen, in der Hoffnung, dass eines davon wirkt“, so Bitti.

Das System in Form eines Benchtop-Geräts soll sich für den Einsatz in allen medizinischen Laboren eignen. Es nutzt Standardprotokolle und -schnittstellen und kann daher in bestehende Systeme integriert werden. Der Wachstumsmonitor befindet sich bereits zur klinischen Testung in den Unikliniken Aachen und Bonn. Nach der Evaluation wird ein erster Demonstrator konstruiert. Auch das Anzuchtmodul wird derzeit klinisch getestet.

Infektionen mit multiresistenten Erregern gehören laut WHO derzeit zu einer der größten Bedrohungen der Gesundheit. Vor allem in Krankenhäusern sind diese Keime auf dem Vormarsch. Eine der schwersten Infektionen ist die Blutvergiftung. In Deutschland sterben jährlich mehr als 56 000 Menschen an einer Sepsis. Fraunhofer-Forscher Bitti ist überzeugt:  „Mit unserem modularen diagnostischen Komplettsystem werden wir künftig die Sterberate von Patienten mit einer Sepsis deutlich verringern können.“