Rezepte gegen Ärztemangel

Qualifiziertes Praxispersonal, neue ambulanten Versorgungsstrukturen und der Einsatz von Telemedizin gehören zu dem Bündel von Rezepten, mit dem die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) dem Ärztemangel auf dem Land entgegenwirken will.

In dem Bundesland ist laut KVSH jeder dritte der knapp 2.000 Hausärzte älter als 60 Jahre. Auch bei den Fachärzten gibt es Gruppen mit einem hohen Anteil älterer Mediziner, dazu zählen beispielsweise Neurologen. Bei ihrem Ausscheiden wird es diesen Ärzten wird es nicht leicht fallen, einen qualifizierten Nachfolger zu finden. Denn infrastrukturelle Defizite und ein verändertes Selbstverständnis der jungen Ärztegeneration machen die Suche nach einem Nachfolger immer schwieriger. Der Ärztemangel trifft vor allem Arztpraxen auf dem Land. „Um auf diese Entwicklung reagieren zu können, sind neue Wege in der ambulanten medizinischen Versorgung und passgenaue regionale Lösungen gefragt“, so Dr. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der KVSH.

Neue Praxismodelle gegen Ärztemangel

Auch wenn sich im ländlichen Raum nicht für jede Praxis ein Nachfolger finden wird, muss das nicht heißen, dass ganze Landstriche künftig ohne Arzt sein werden, betont die KVSH. Immer öfter schließen sich Mediziner an einem gut erreichbaren Ort auf dem Land zusammen und übernehmen mit einem „Hausarztzentrum“ Versorgungsverantwortung für ihre Region. Hierbei kombinieren die Ärzte mit unternehmerischem Mut innovative Möglichkeiten. Dazu zählen angeschlossene Zweigpraxen in kleineren Nachbarorten, die Delegation von Routine-Hausbesuchen an qualifiziertes Praxispersonal und Einsatz von Telemedizin. An einigen Orten gibt es zudem bereits Außensprechstunden von Fachärzten aus der Stadt in zentralen Hausarztpraxen auf dem Land. „Diese neuen Strukturen mit ihrem Mix aus Praxisinhabern und angestellten Ärzten bieten, was der medizinische Nachwuchs sucht: Eine enge kollegiale Zusammenarbeit, die Tätigkeit im Angestelltenverhältnis – auch in Teilzeit – und insgesamt eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, so Dr. Thomas Maurer, Vorsitzender des Hausärzteverbands Schleswig-Holstein.

Fachkräfte zur Hausarzt-Entlastung

Die KVSH gestaltet die im Wandel begriffene Versorgungslandschaft mit. So gibt es in Schleswig-Holstein rund 270 Zweigpraxen. Sie sorgen vor allem in der Fläche dafür, dass die Patienten zumindest zeitweise einen Haus- oder Facharzt aufsuchen können. Immer mehr Ärzte – viele davon auf dem Land – delegieren Aufgaben an speziell qualifizierte medizinische Fachangestellte.  Landesweit entlasten mehr als 160 dieser „Nichtärztlichen Praxisassistentinnen“ Hausärzte, indem sie unter anderem Routine-Hausbesuche übernehmen.

Neue Rolle für die Telemedizin

Auch die telemedizinische Betreuung von Patienten wird in Zukunft eine größere Rolle spielen, um die ambulante Versorgung in der Fläche zu sichern. So könnte der Gesundheitszustand chronisch kranker Patienten digital kontrolliert werden, ohne dass sie den weiten Weg zur nächsten Arztpraxis auf sich nehmen müssen.

Gemeinsame Herausforderung

Diese Maßnahmen allein werden allerdings nicht ausreichen. Steigender Behandlungsbedarf bei älteren, chronisch kranken Menschen auf der einen und eine begrenzte Anzahl von Ärzten auf der anderen Seite erfordern der KVSH außerdem eine Debatte, wie ärztliche Leistungen künftig gezielter in Anspruch genommen werden können. Das gilt für die reguläre ambulante Versorgung, indem der Hausarzt oder in bestimmten Fällen auch der Facharzt die Behandlung des Patienten noch stärker als bisher koordiniert. Auch die Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Notfallversorgung muss optimiert werden. Hier hat die KVSH gemeinsam das Modell sogenannter Portalpraxen an besonders stark frequentierten Klinikstandorten entwickelt. Als gemeinsame Einrichtung von Kliniken und KVSH sollen sie künftig während der normalen Praxiszeiten als erste Anlaufstelle dienen und Patientenströme besser lenken. Dann wird ein Patient, der sich in der Portalpraxis vorstellt, je nach Krankheitsbild ans Krankenhaus, an den ärztlichen Bereitschaftsdienst oder an einen Haus- oder Facharzt in der Umgebung verwiesen.