Posttraumatische Belastungsstörung durch Tetris-Spielen lindern

Das Spielen des Computerspiels Tetris könnte Patienten mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) dabei helfen, Flashbacks abzuschwächen. Das zeigen die Ergebnisse einer jetzt veröffentlichten Studie. Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben die Untersuchung zusammen mit einer Forscherin des Karolinska Institutet in Schweden mit 20 Patientinnen und Patienten mit PTBS durchgeführt. Nach der Intervention ging die Anzahl an sogenannten Flashbacks für die belastenden Ereignisse zurück.

Therapieplätze für Posttraumatische Belastungsstörung fehlen

Unwillkürlich wiederkehrende bildliche Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse zählen zu den gravierendsten Symptomen der PTBS. „Die PTBS lässt sich mit den verfügbaren Therapien gut behandeln“, sagt Prof. Dr. Henrik Kessler, Oberarzt und Traumatherapeut an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im LWL-Universitätsklinikum Bochum. Da es jedoch viel mehr Patienten als Therapieplätze gibt, suchen die Forscher nach Methoden außerhalb der konventionellen Behandlungen, um die Symptome zu lindern.

Bereits vor rund zehn Jahren fand Prof. Dr. Emily Holmes vom Karolinska Institutet mit ihrem Team heraus, dass das Computerspiel Tetris durch Horrorfilme ausgelöste Flashbacks bei gesunden Personen unterdrücken kann. Das funktionierte, wenn das Spiel dem Betrachten des Filmes gespielt wurde. In der aktuellen Studie testeten die Wissenschaftler nun, ob dieser Effekt auch Patienten mit PTBS helfen kann, bei denen die Ursache der belastenden Erinnerungen oft Jahre zurückliegt.

Spezielle Intervention

An der aktuellen Studie nahmen 20 Patientinnen und Patienten mit komplexer PTBS teil. Sie befanden sich im Rahmen einer regulären Therapie für sechs bis acht Wochen stationär in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie waren. Neben den üblichen Einzel- und Gruppentherapien absolvierten die Betroffenen eine spezielle Intervention. Sie schrieben eine ihrer belastenden Erinnerungen auf ein Blatt. Dann zerrissen sie den Zettel – ohne über den Inhalt zu sprechen – und spielten anschließend für 25 Minuten Tetris auf einem Tablet.

Alle teilnehmenden Patienten gaben stets mehrere verschiedene Flashbacks an. Dazu zählten beispielsweise Gewalterfahrungen in unterschiedlichen Situationen, deren Auftreten sie über die Wochen in ein Tagebuch notierten. Pro Intervention, die von Woche zu Woche stattfand, fokussierten sie stets nur einen dieser Flashbacks.

Spiele-Therapie funktionierte

Es zeigte sich, dass genau diese Flashbacks spezifisch in den Tagen und Wochen nach der Intervention zurückgingen. Gleichzeitig blieb die Anzahl der unwillkürlich wiederkehrenden bildlichen Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse für die noch nicht fokussierten Flashbackinhalte relativ konstant. Insgesamt ging die Anzahl der Flashbacks für die jeweils fokussierte Situation um durchschnittlich 64 Prozent zurück. Flashbacks, deren Inhalt nie fokussiert wurde, gingen hingegen nur um elf Prozent zurück. Die Intervention wirkte insgesamt bei 16 der 20 getesteten Patienten.

Der Mechanismus

Die Forscher vermuten einen bestimmten Mechanismus hinter dem Erfolg von Tetris in der Traumatherapie. Wenn Patienten sich detailliert ein Bild der belastenden Erinnerung machen, aktiviert das offenbar Gebiete für räumlich-bildliche Verarbeitung im Gehirn. Vergleichbare Areale könnten auch für das Spielen von Tetris bedeutsam sein. Da beide Aufgaben also vergleichbare und begrenzte Ressourcen benötigen, es kommt zur Interferenz.

Immer wenn ein Patient bewusst den Inhalt eines Flashbacks erinnert, wird die damit verbundene Gedächtnisspur kurzzeitig labil. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Gedächtnisspur abgeschwächt wieder eingespeichert werden könnte, wenn in dieser Zeit eine Interferenz stattfindet.

Weitere Studien sollen folgen

„In unserer Studie wurde die Intervention zwar von einem Teammitglied begleitet, aber dieses hat keine aktive Rolle eingenommen und die verschriftlichten traumatischen Erinnerungen nicht gelesen“, erklärt Kessler. Die Wissenschaftler hoffen nun eine Behandlung ableiten zu können, die Menschen auch allein durchführen könnten, wenn kein Therapieplatz verfügbar ist. „Die Intervention kann jedoch eine komplexe Traumatherapie nicht ersetzen, sondern lediglich ein zentrales Symptom, die Flashbacks, lindern“, so Kessler.

Die Ergebnisse der Studie hat Team um Prof. Dr. Henrik Kessler und Dr. Aram Kehyayan von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im LWL-Universitätsklinikum Bochum gemeinsam mit Prof. Dr. Emily Holmes vom Karolinska Institutet im Journal of Consulting and Clinical Psychology veröffentlicht.

Nun sollen weitere Untersuchungen mit Kontrollbedingungen und an einer deutlich größeren Anzahl Patienten folgen, um die Wirksamkeit der Methode zu bestätigen. Diese Studien führt das Team um Kessler und Kehyayan aktuell durch. In Grundlagenstudien gehen sie außerdem den genauen Mechanismen des Effekts bei gesunden Menschen weiter auf den Grund.