Mobiles Labor findet Corona-Hotspots

Das mobile Labor ist in verschiedene Räume unterteilt, um die Vorbereitung der Abwasserproben, die Aufreinigung der Virusfragmente und die sensible Virusanalytik voneinander zu trennen. (Quelle: Fraunhofer IPA, Foto: Rainer Bez)

Ein mobiles Labor soll künftig dabei helfen, Corona-Hotspots schnell und zuverlässig zu identifizieren. Dazu soll es Fragmente von Coronaviren in Abwässern aufspüren, die ein  Hinweis auf erhöhte Infektionszahlen sind.

Entwickelt wurde das mobile Labor am Fraunhofer IPA. Es soll noch im September seine Arbeit aufnehmen. Der Countdown läuft bereits. Die Biologin Sibylle Thude kümmert sich um die Konzeption und Auslegung des mobilen Labors, mitsamt der elektrischen Absicherung der Laborgerätschaften, der Gefährdungsbeurteilung, der biologischen Sicherheit bis hin zur Umsetzung des analytischen Prozesses im mobilen Labor: „Es ist gar nicht so einfach, die Versuchsabläufe logistisch zu koordinieren und alle Geräte, die wir brauchen, auf engstem Raum unterzubringen und sie so zu platzieren, dass man analytisch sinnvoll und sicher arbeiten kann. Außerdem muss alles sehr gut fixiert werden, damit hochsensible und teure Analysegeräte während der Fahrt keinen Schaden nehmen.“

Erste Station: Stuttgarter Kläranlage

Bei der ersten Fahrt das mobilen Labors sollen Proben aus verschiedenen Kläranlagen im Großraum Stuttgart entnommen und vor Ort untersucht werden. „Unser Ziel ist es, mit dem mobilen Labor Corona-Hotspots schneller und genauer aufzuspüren, als das bisher möglich war“, sagt Guido Kreck, Projektleiter Reinheitstechnologie am IPA. „In jedem Klärwerk laufen Abwässer von etwa 10 000 Anwohnern zusammen. Wenn Infizierte darunter sind, können wir im Abwasser Fragmente von Corona-Viren nachweisen, eineinhalb Wochen bevor die Betroffenen überhaupt Symptome entwickeln und getestet werden können.“

Alles mit dabei

Per Abwasseruntersuchungen Corona-Ausbrüche nachzuweisen, ist nicht neu. Analysen von Abwasserproben aus Mailand und Turin beispielsweise deuten darauf hin, dass das Virus schon im Dezember 2019 – zwei Monate vor dem ersten bekannten Ausbruch – in Italien angekommen war. Die Abwasseranalysen waren bisher allerdings zeitintensiv: Proben mussten verpackt und an Speziallabors geschickt, dort wieder querkontaminationsfrei gehandhabt und analysiert werden. Bis ein Ergebnis vorlag, konnten mehrere Tage vergehen. Mit dem mobilen Labor funktioniert das deutlich schneller.

Proben lassen sich ohne Zeitverzögerung an Ort und Stelle analysieren. Die dazu erforderliche Ausstattung hat das Fraunhofer-Labor an Bord: Zentrifuge, Gefrierschrank, Trockentemperiergerät und Pipettierhilfen. Außerdem eine Aufreinigungsanlage, in der – mit Hilfe magnetischer Kügelchen – die Virusfragmente aus dem Abwasser herausgefischt werden. Ebenfalls mit zu Ausrüstung gehört ein PCRCycler, der das virale Erbgut vermehrt und analysiert. Innerhalb weniger Stunden liegen die Ergebnisse vor.

Algorithmen für die Prognose

„Wenn alles funktioniert, können wir mit der neuen Methode in nur ein bis zwei Wochen alle Klärwerke eines Bundeslands untersuchen. Weil sämtliche Analysen in ein und demselben Labor untersucht werden, sind die Ergebnisse gut vergleichbar – mögliche Hotspots lassen sich daher sehr genau lokalisieren“, prognostiziert Kreck. Aus der Konzentration der Virusfragmente in einer Probe lassen sich mit Hilfe von Algorithmen Rückschlüsse auf die Zahl der Infizierten ziehen.

Lernfähig durch KI

Die Datenbasis für die Berechnungen sollen jetzt die Untersuchungen im Großraum Stuttgart liefern. „Noch ist unser Labor ein Prototyp. Wir müssen die Geräte erproben, die Arbeitsabläufe optimieren, Daten sammeln und die Prognose-Tools weiterentwickeln“, so Kreck. Dank KI lernt das System ständig dazu. Je mehr Messungen vorliegen, die sich mit den bekannten Infektionszahlen einer Region vergleichen lassen, desto besser werden auch die Voraussagen.

Auch nach der Pandemie sinnvoll

Auch nach der Corona-Pandemie wird wird das mobile Büro gebraucht, davon ist die IPA-Forscherin Thude überzeugt: »Im Falle einer erneuten Pandemie können wir die Analytik schnell anpassen und nach anderen Viren suchen.“ Das Schöne an dem neuen Labor-Anhänger sei die Flexibilität. Es kann überall dort zum Einsatz kommen, wo es gebraucht wird. So könne es entsprechend angepasster Geräteausstattung und Analytik dazu genutzt werden, nach gesundheitsgefährdenden Stoffen wie Insektiziden oder Antibiotika im Grund- oder Abwasser zu suchen.