Mit digitaler Diagnostik gegen Sepsis

Eine schnelle Diagnose von Sepsis kann Leben retten. (Foto: sudok1/123rf.com)

Die Sepsis-Diagnostik zu verbessern, hat sich das neue Forschungsprojekt „DigiSep“ zum Ziel gesetzt. Dazu soll die Wirksamkeit neuer digitaler Diagnostik-Methoden untersucht werden.

Allein in Deutschland verursacht die Sepsis mehr als 75.000 Todesfälle. Für eine erfolgreiche Therapie ist es entscheidend, den Erreger frühzeitig und zuverlässig zu identifizieren. Mit dem Anlegen einer Blutkultur, wie heute üblich, funktioniert das oft nicht. Abhilfe schaffen könnten neue digitale Methoden zur Erregerbestimmung, die Genomik und Bioinformatik kombinieren. Im Rahmen des Forschungsprojekts „DigiSep“ untersuchen Forschende, ob sich durch diese neuen Diagnostik-Methoden die Therapie verbessern und dadurch die Sterblichkeit der Patienten senken lässt. 

Durchgeführt wird das Projekt von der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen als Konsortialführer in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie & Gesundheitsmanagement der Universität Bielefeld, dem Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) und dem Institut für Medizinische Biometrie (IMBI) am Universitätsklinikum Heidelberg sowie mit den Krankenkassen AOK Rheinland/Hamburg, Barmer und der Techniker Krankenkasse. Das Diagnostikunternehmen Noscendo steuert als technischer Partner seinen digitalen Präzisionstest DISQVER bei, der eine CE-Kennzeichnung für In-vitro-Diagnostika (IVD) besitzt. DigiSep wird vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses für drei Jahre mit insgesamt ca. 3,1 Millionen Euro gefördert.  

Methoden im Vergleich

Um die Wirksamkeit neuer digitaler Diagnostikmethoden zu untersuchen, planen die Forschenden eine Studie. Sie wird mit 410 zufällig ausgewählten, schwer erkrankten Sepsis-Patientinnen und -Patienten in rund 20 deutschen Kliniken durchgeführt. Bei 205 der Erkrankten wird das Blut sowohl mit Standard- als auch mit digitaler Präzisionsdiagnostik untersucht, die innerhalb von 24 Stunden mehr als 1.500 Keime (Bakterien, DNA-Viren, Pilze und Parasiten) erkennen kann.

Dafür wird die zellfreie DNA, also Teile des spezifischen Erbguts des Erregers, in der Blutprobe der Patientin oder des Patienten mittels Next-Generation Sequencing untersucht. Dabei handelt es sich um eine neue und besonders schnelle Methode zur DNA-Analyse. Bioinformatische Algorithmen gleichen diese Informationen mit einer großen klinischen Genom-Datenbank ab. Innerhalb weniger Stunden liegt so ein Bericht über alle im Blut nachweisbaren Keime vor, was eine gezieltere Therapie ermöglichen soll. Zusätzlich werden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte von einem Expertengremium unterstützt, mit dem Befunde und Therapieentscheidungen besprochen werden können. Bei den übrigen 205 Personen der Vergleichsgruppe kommt die derzeitige Standarddiagnostik, also die zeitaufwendige Anzüchtung der Erreger in einer Blutkultur, zum Einsatz.

Start im Januar 

Die Studie soll im Januar 2022 starten und 180 Tage dauern. Im Anschluss werden unter anderem die Verweildauer auf der Intensivstation, die Dauer einer Antibiotika-Therapie und die Sterblichkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgewertet. „Wir untersuchen, ob die Kombination aus Standarddiagnostik, digitaler Präzisionsdiagnostik und Expertenaustausch eine schnellere, zielgerichtete und damit bessere Therapie ermöglicht als die reine Standarddiagnostik allein“, sagt Prof. Dr. Thorsten Brenner, Leiter des Forschungsprojekts und Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen. Im Erfolgsfall trage das Projekt dazu bei, die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Sepsis und septischem Schock zu verbessern. „Für die Patientinnen und Patienten könnte dies einen kürzeren Aufenthalt auf der Intensivstation beziehungsweise im Krankenhaus, weniger Spätfolgen und mehr Lebensqualität bedeuten”, so Brenner.

Entscheidender Vorsprung

Die Krankenkassen sehen große Chancen in der digitalen Diagnostik. „Häufigkeit und Schwere einer Sepsis-Erkrankung sind in der Gesellschaft zu wenig bekannt, ebenso wenig die relativ hohe Todesquote von rund einem Drittel der Betroffenen“, so Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. „Bei der Behandlung einer Sepsis-Erkrankung zählt jede Sekunde. Je früher und präziser eine Aussage über die Beschaffenheit der Infektion getroffen werden kann, desto schneller können lebensrettende Maßnahmen eingeleitet und Menschenleben gerettet werden,“ sagt Matthias Mohrmann, Mitglied des Vorstandes der AOK Rheinland/Hamburg. Der TK-Vorstandsvorsitzende Dr. Jens Baas ist überzeugt: „Die digitale Technik des DigiSep-Projekts verschafft dem Behandlungsteam den entscheidenden Vorsprung im Wettlauf gegen die Zeit. Dieser Zeitvorsprung kann Leben retten.“