Markt für Personal Health expandiert

Apple Watch
Studien Co-Autor Dr. Martin Schulte: „Der Erfolg der Apple Watch und vergleichbarer Wearables hat das Feld bereitet“ (Foto: Apple)

Immer mehr Menschen sind einer aktuellen gfu-Untersuchung zufolge daran interessiert, ihre Gesundheit digital zu erfassen und nachzuverfolgen, etwa per Smartwatch oder App. Das beschert vielen Unternehmen Wachstumschancen – aber nicht allen.

44 Prozent der Menschen in Deutschland kontrollieren laut der aktuellen gfu-Befragung mindestens vier gesundheitsrelevante Kennzahlen (wie Puls, Blutzucker etc.) regelmäßig über eigene Geräte. Deutschland ist damit kein Vorreiter: In China und den USA gilt dies bereits für mehr als 60 Prozent der Bevölkerung, wie die Verbraucherbefragung der Branchenorganisation gfu Consumer & Home Electronics und der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt. Bezogen auf ihre Gesundheitsdaten bringen Verbraucher jungen Anbietern aus dem Start-up Segment am wenigsten Vertrauen entgegen. Anders sieht es bei klassischen Gesundheits- und Elektronikanbietern aus. Für sie stehen die Türen dieses Wachstumsmarkts offen.

„Digitale Gesundheitsanwendungen sind als alltägliche Begleiter in der breiten Bevölkerung angekommen“, sagt Dr. Sara Warneke, Geschäftsführerin der gfu Consumer & Home Electronics GmbH. „Die Nutzungsraten steigen rasant, immer neue Anwendungen treffen den Nerv gesundheitsbewusster Verbraucher.“ Laut einer Prognose von Oliver Wyman werden bis 2033 weltweit sieben von zehn Menschen ihre eigene Gesundheit digital umfassend beobachten und nachverfolgen.

Entlastung für das Gesundheitssystem?

Die repräsentative Konsumentenbefragung, die die gfu gemeinsam mit der Strategieberatung Oliver Wyman erarbeitet hat, zeigt darüber hinaus: Menschen nutzen die digitalen Begleiter weitgehend unabhängig von ihrem Geschlecht oder Gesundheitszustand. „Die Zeiten, in denen Nutzer als überdrehte Fitnessfreaks belächelt wurden, sind jedenfalls vorbei“, meint Warneke. „Es geht den Menschen um Früherkennung, Vorsorge und Eigenverantwortung.“ Die gesteigerte Achtsamkeit könne zudem das Gesundheitssystem entlasten.

Experimentierfreude

Zählen physiologisch und psychologisch relevante Daten zum Schlaf, Blutzuckerspiegel oder dem Trink- und Essverhalten bereits zum Standard, so beschäftigen sich erste Monitoring-Anbieter auch mit Temperaturmessung über Ohrhörer oder der automatisierten Analyse von Ausscheidungen. „Der Erfolg der Apple Watch und vergleichbarer Wearables hat das Feld bereitet“, sagt Dr. Martin Schulte, Partner der Strategieberatung Oliver Wyman und Co-Autor der Studie. „Nun treiben Start-ups das Thema mit originellen Gadgets und viel Innovationskraft voran.“ Ein Blick auf die Finanzierungsrunden von Personal Health-Start-ups zeugt vom Aufschwung: 2022 flossen 1,2 Milliarden US-Dollar in den Sektor – doppelt so viel Geld wie 2018 und nahezu eine Verzehnfachung gegenüber 2015. „Wir befinden uns klar in einer Beschleunigungsphase“, sagt Schulte.

Sorge um Gesundheitsdaten

Der Oliver Wyman-Experte sieht dennoch die kleinen Trendsetter im Nachteil, wenn es gilt, den Massenmarkt zu erobern. „Jetzt ist stattdessen die richtige Zeit für etablierte Marken aus der Haushalts- und Verbraucherelektronik gekommen, um mit ihrer Bekanntheit in die Lücke zu stoßen und das geweckte Interesse zu bedienen.“ Der Grund: „Die Experimentierfreude ist auch auf Anwenderseite groß, doch die dauerhafte Nutzung der Apps und Tracker bleibt vor allem eine Frage des Vertrauens“, sagt Schulte. „Mehr als die Hälfte der Befragten weltweit erachten den Bereich Personal Health als noch zu wenig reguliert und sorgen sich um die Integrität ihrer Gesundheitsdaten.“ Start-ups haben mit der größten Skepsis in Sachen Datenschutz zu kämpfen: Nur 32 Prozent der Menschen vertrauen ihnen laut der Studie. Hersteller von Medizintechnik erzielen dagegen mit 61 Prozent in der Umfrage die höchsten Vertrauenswerte. Auch Technologieunternehmen wie Apple und Amazon (59 %), bekannte Marken aus der Fitness- und Wellnessbranche sowie Handelskonzerne (beide 54 %) genießen bei den Anwendern mehr Vertrauen. „Große Marken können jetzt über Zukäufe und Kooperationen geschickt einen Fuß in den attraktiven Digital-Health-Sektor setzen“, sagt Schulte. 

Digitalaffine Menschen über 65 kaufen 

Zwei Altersgruppen machen am stärksten Gebrauch von den Gesundheitsgadgets: zum einen 26- bis 35-jährige Millennials, zum anderen die über 65-Jährigen. „Digitalaffine Menschen über 65 zählen zu besonders fleißigen Anwendern. Sie ersparen sich etwa mit Blutzuckermessungen manchen Arztbesuch und profitieren auch von Medikamenten-Erinnerungs-Apps oder Sturzsensoren“, kommentiert gfu Geschäftsführerin Warneke die Ergebnisse.

Die Studie offenbart auch einen Blick ins Jahr 2030 über eine spezielle Abfrage in der Generation Z, also den heute 18- bis 25-Jährigen. 69 Prozent dieser Menschen erwarten, dass sie in sieben Jahren üblicherweise das essen werden, was ihnen ihr Smartphone empfiehlt. Ebenso viele vertrauen darauf, dass sie dank digitaler Hilfsmittel weniger oft krank werden. 54 Prozent halten es für wahrscheinlich, dass ein Gerät in der Toilette ihre Ausscheidungen auf gesundheitlich relevante Parameter hin kontrollieren wird. Und 43 Prozent nehmen an, dass im Jahr 2030 ein implantierter Chip ihre Gesundheitsdaten überwachen wird. „Diese erstaunlich weitgehenden Erwartungen zeigen, mit welcher Dynamik das Thema Personal Health unseren Alltag erfasst“, sagt Martin Schule. „Wir sind gut beraten, die Vorteile zu nutzen, aber die Risiken ebenfalls im Blick zu behalten.“ 

Oliver Wyman und die gfu Consumer & Home Electronics GmbH haben im August 2023 die Studie „The Heartbeat of Progress“ durchgeführt. Dafür wurden rund 4.000 Menschen in Deutschland, Großbritannien, den USA und China zu Themen der Personal Health Technologie befragt.