Gemeinsam mit Suchtexperten am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE) untersucht die DAK-Gesundheit in einer Längsschnittstudie erstmalig die krankhafte Nutzung von Computerspielen und Social-Media nach den neuen ICD-11 Kriterien der WHO. Auch die Folgen der Covid-19-Pandemie werden erforscht. Die ersten Ergebnisse sind alarmierend.
Die Krankenkasse hat die Präventionsoffensive „Mediensucht 2020“ gestartet. Die aktuelle DAK-Studie führt das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE Hamburg durch. An der repräsentativen Längsschnittstudie sind rund 1.200 Familien beteiligt. Nun liegen erste Zwischenergebnisse vor. Demnach ist bei 700.000 Kindern und Jugendlichen ist das Gaming riskant oder pathologisch. Im Vergleich zum Herbst 2019 haben die Spielzeiten unter dem Corona-Lockdown werktags deutlich zugenommen.
Befragung im Frühjahr
Im September 2019 haben zehn Prozent der 10- bis 17-Jährigen ein riskantes Spielverhalten gezeigt. Im Mai 2020 stieg die Spieldauer in der Woche um 75 Prozent an. Werktags kletterten die durchschnittlichen Gamingzeiten von 79 auf 139 Minuten. Am Wochenende verzeichnet die Studie einen Anstieg um fast 30 Prozent auf 193 Minuten am Tag.
„Die Nutzungszeiten der Kinder und Jugendlichen haben die größte Vorhersagekraft für ein problematisches und pathologisches Verhalten“, sagt Professor Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen. Ob die Mediensucht durch Schulschließungen und eingeschränkte Freizeitaktivitäten tatsächlich wächst, soll die Längsschnittstudie in einer abschließenden Befragung der teilnehmenden Familien im Frühjahr 2021 zeigen.
Deutlicher Anstieg bei Social-Media-Nutzung
Ähnlich problematisch wie Onlinespiele sind Social-Media-Aktivitäten. Im September zeigen 8,2 Prozent der befragten Kinder und Jugendliche eine riskante Nutzung. Das entspricht hochgerechnet fast 440.000 der 10- bis 17- Jährigen. Eine pathologische Nutzung wurde bei rund 170.000 Jungen und Mädchen (3,2 Prozent) festgestellt. Unter dem Corona-Lockdown sind die Social-Media-Zeiten werktags um 66 Prozent angestiegen – von 116 auf 193 Minuten pro Tag. Gaming und soziale Medien werden vor allem genutzt, um Langeweile zu bekämpfen oder soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. Rund ein Drittel der Jungen und Mädchen will online aber auch der „Realität entfliehen“ oder Stress abbauen. Laut Studie geben 50 Prozent der Eltern an, dass es in ihrer Familie vor und unter Corona keine zeitlichen Regeln für die Mediennutzung gibt.
Mediensuchtscreening bei Kinder- und Jugendärzten
„Die ersten Ergebnisse sind alarmierend“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. Die Krankenkasse will deshalb die Früherkennung stärker in den Fokus nehmen. Ab Herbst bietet die DAK gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in fünf Ländern das bundesweit erste Mediensuchtscreening für 12- bis 17-Jährige an. In den Bundesländern Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen können ab 1. Oktober 2020 rund 70.000 Jungen und Mädchen die Früherkennung ergänzend zur J1 und J2 nutzen. Grundlage für das Mediensuchtscreening ist die so genannte GADIS-A-Skala (Gaming Disorder Scale for Adolescents), die von Suchtforschern des UKE Hamburg entwickelt wurde und jetzt erstmals in der Praxis eingesetzt wird.
„Dieser Schritt ist für Eltern und Ärzte gleichermaßen sehr wichtig, denn Computerspielsucht ist ein wichtiges Gesundheitsthema bei Kindern und Jugendlichen“, sagt Dr. Sigrid Peter, Vizepräsidentin des BVKJ. Die Einbettung des Screenings in die regulären Vorsorgeuntersuchungen helfe dabei, eine drohende Sucht frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern.
Anlaufstelle gegen Computersucht
Darüber hinaus hat die Krankenkasse gemeinsam mit der Computersuchthilfe Hamburg eine neue Online-Anlaufstelle Mediensucht entwickelt. Ab August 2020 erhalten Betroffene und deren Angehörige unter www.computersuchthilfe.info Informationen und Hilfestellungen rund um die Themen Online-, Gaming- und Social-Media-Sucht. Das kostenlose DAK-Angebot ist offen für Versicherte aller Krankenkassen.