Big Data unterstützt Akutversorgung

Leipziger Mediziner Dr. Robert Stöhr
Leipziger Mediziner Dr. Robert Stöhr: „Ein langfristiges Freihalten von Krankenhausbetten wird zu Lasten von anderen Erkrankungen stattfinden“ (Foto: Ev. Diakonissenkrankenhaus Leipzig/Agaplesion)

Big Data-Analysen zur Prozessteuerung haben mit dazu beigetragen, dass in der Notaufnahme des Evangelischen Diakonissenkrankenhauses in Leipzig auch in der Lockdown-Zeit die Versorgung der Bevölkerung jederzeit sichergestellt war.

Die interdisziplinäre Notaufnahme des Diakonissenkrankenhauses versorgt im Jahr rund 24.000 erwachsene Notfallpatienten. Die Notaufnahme verfügt dabei über eine Zertifizierung von der Deutschen Gesellschaft für interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA). Nachweislich erfüllt das Leipziger Krankenhaus damit höchste internationale Standards. Patienten können hier angepasst an die Schwere ihrer Situation optimal und schnell versorgt werden.

In jedem einzelnen Fall setzt eine zielgerichtete medizinische und pflegerische Betreuung die sofortige Ersteinschätzung und Festlegung der Behandlungsdringlichkeit voraus. Die Stabilisierung des Patienten sowie die Sofortdiagnostik und eventuell notwendige Soforttherapie erfolgen in Leipzig in einem geübt koordinierten Zusammenspiel. Bereits seit 2017 wird hier auf eine einheitliche Dokumentation gesetzt, die die Vorgehensweise für jeden Beteiligten bis ins kleinste Detail eindeutig strukturiert.

Synergien aus Medizin und IT

Die Leipziger Klinik setzt hier auf Synergien aus Medizin und IT: Das Projekt „Big Data-Analysen zur Prozessteuerung“ wurde vom leitenden Oberarzt Dr. Robert Stöhr gemeinsam mit der Abteilung IT und Organisation durchgeführt und weiterentwickelt. Dabei werden die Patientenströme permanent analysiert. Aktuell stehen dafür weit mehr als 100.000 Patientendatensätze zur Verfügung. Auf dieser Basis wurde eine Dokumentations- und Prozessstruktur für den Umgang mit den Patienten entwickelt. Sie beinhaltet unter anderem Prognosen zu Behandlungsausgängen und die Wahrscheinlichkeit einer stationären Aufnahme.

So entstand innerhalb von drei Jahren ein Arbeitshandbuch, in dem alle Standards festgehalten werden. Im Unterschied zu üblichen Handbüchern ist dabei die Dokumentation einheitlich und es werden die lokalen Gegebenheiten individuell berücksichtigt. 

Keinerlei Engpässe

Das eingeführte Qualitätsmanagementsystem und die etablierten Behandlungsprozesse waren die Voraussetzung für die Zertifizierung nach DGINA. Im DGINAZERT-Verfahren wurden neben der strukturierten Patientenversorgung insbesondere die solide studentische Ausbildung und die konsequente Weiterbildung der Mitarbeiter in Mentoring Programmen hervorgehoben sowie die umfassende Auswertung aller Behandlungsprozesse. Auch die eng verzahnte Zusammenarbeit mit Rettungsdiensten und Notärzten wurde lobend erwähnt. 

Das eingespielte Verfahren hat sich auch in Zeiten von Corona als zuverlässig erwiesen. „Wir hatten hier bislang keine Engpässe und konnten Patienten, die akut auf medizinische Hilfe angewiesen sind, optimal versorgen. Das Projekt der zertifizierten Notaufnahme und das objektive Wissen aus Big-Data-Analysen zur Verteilung der im Grunde stets begrenzten Ressourcen einer Notaufnahme hat sich wieder bewährt“, bestätigt Dr. Robert Stöhr, Leitender Oberarzt der Notaufnahme am Evangelischen Diakonissenkrankenhaus in Leipzig.

Stabile Versorgungsstrukturen sind nötig

Interessanter Nebenaspekt: Eine Analyse der Notaufnahme-Daten von Mitte Februar bis Mitte April 2020 ergab, dass in der sächsischen Großstadt insgesamt deutlich weniger Notfallpatienten versorgt werden mussten als im selben Zeitraum des Vorjahrs. Dazu Dr. Robert Stöhr: „Besonders bemerkenswert ist, dass wenngleich die Notaufnahme insgesamt weniger frequentiert war, die Fallzahlen für Schockraumversorgungen und die Zuweisungen auf Intensivstation eher höher waren als in vergleichbaren Zeiträumen. Ebenso mussten nahezu genauso viele Patienten stationär aufgenommen werden wie in anderen Monaten. Das bedeutet, dass unverändert stabile Versorgungsstrukturen nötig sind und der Fallzahlrückgang sich vornehmlich auf weniger schwere Erkrankungen bezogen hat. Es ist also künftig abzusehen, dass ein langfristiges Freihalten von Krankenhausbetten zu Lasten von anderen Erkrankungen stattfinden wird, insbesondere im Bereich der Grund- und Regelversorger.“