Internetsucht erstmals erfolgreich reduziert

Wissenschaftler der Pädagogischen Hochschule Heidelberg haben ein präventives Programm entwickelt, das die Internetsucht und Computerspielabhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen erstmals signifikant reduziert.

Laut einer von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg durchgeführten, repräsentativen Studie, sind rund sechs Prozent der befragten Jugendlichen in der Metropolregion Rhein-Neckar Internet- oder Computerspielsüchtig. „Die betroffenen Jugendlichen ziehen sich häufig zurück und vernachlässigen Freunde, frühere Hobbies und schulische Pflichten. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab, die Konflikte mit Angehörigen und Lehrkräften nehmen zu. Ihre Lebensqualität wird maßgeblich beeinträchtig“, erklärt Studienleiterin Junior-Professorin Dr. Katajun Lindenberg.

Die Prävention von Internetsucht und Computerspielabhängigkeit ist folglich von hoher gesundheitspolitischer Relevanz. Um den betroffenen Schülern Hilfe zukommen zu lassen, entwickelte das Team um Lindenberg das Programm „Professioneller Umgang mit technischen Medien“ (kurz: PROTECT). „Unser Ziel ist es nicht, den Internetgebrauch an sich zu verändern; das würde völlig an der Lebensrealität der Jugendlichen vorbeigehen. Uns geht es vielmehr darum, den schädlichen, exzessiven Umgang mit Online-Angeboten zu verhindern. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er trotz negativer Konsequenzen fortgeführt wird, dass er mit einer verminderten Kontrolle über das Spielen einhergeht und dass die Internetaktivität Vorrang vor allen anderen Interessen und alltäglichen Tätigkeiten hat“, so Lindenberg.

Schulen müssen helfen

Den Schulen kommt hier eine besondere Bedeutung zu und PROTECT richtet sich daher auch primär an Schüler ab der 7. Klasse: Jugendliche, die ein erhöhtes Risiko für eine Internet- oder Computerspielsucht zeigen, erhalten dabei ein psychologisch-verhaltenstherapeutisches Training, das in vier Doppelstunden von geschulten Psychologen durchgeführt wird. „Unser Programm wurde anhand aktueller Forschungsbefunde zur Internetsucht entwickelt und beinhaltet evidenzbasierte, verhaltenstherapeutische Techniken, die sich in der Prävention von psychischen Auffälligkeiten wie Ängsten, Depressionen, Suchterkrankungen oder Essstörungen als wirksam erwiesen haben“, erläutert die Studienleiterin.

Durch das Training wird eine signifikante Reduktion der Kernsymptomatik – also beispielsweise mangelnde Kontrolle über den Konsum oder Fortsetzung des Spielens trotz negativer Folgen – erzielt, die nachhaltig anhält. PROTECT ist international das erste Programm zur indizierten Prävention von Internet- und Computerspielabhängigkeit mit diesem Effekt. Darüber hinaus trägt es auch zu einer leichten Verbesserung depressiver Symptome bei, die häufig mit einer Internet- oder Computerspielsucht einhergehen.

Programm weiterentwickelt

Die Wissenschaftler haben ihr Präventionsprogramm bereits weiterentwickelt: So wird in Kooperation mit regionalen Beratungsstellen und dem Zentrum für psychologische Psychotherapie der Universität Heidelberg zum Beispiel ein Gruppentraining für Betroffene außerhalb der Schule angeboten. Das Programm wurde außerdem an die Bedürfnisse von Kindern der Klasse 3 bis 5 angepasst und steht diesen seitdem ebenfalls zur Verfügung. Um den pathologischen Internetgebraucht überhaupt erfassen zu können, wurde in Kooperation mit Wissenschaftlern des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens und des Universitätsklinikums Lübeck außerdem ein entsprechendes diagnostisches Interview entwickelt und umgesetzt.

Programm gegen Depressionen

In den nächsten fünf Jahren soll das Präventionsprogramm zudem einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollen Schulen der Metropolregion Rhein-Neckar – in Zusammenarbeit mit der Hopp Foundation – auch künftig die Möglichkeit erhalten, PROTECT-Workshops durchzuführen. Außerdem wird die Pädagogische Hochschule Heidelberg ein Präventionsprogramm gegen Depressionen erarbeiten, das auf PROTECT aufbaut.