Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz: Chancen nicht verstreichen lassen

BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll (Foto: © BVMed | Darius Ramazani)

Das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehene Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz muss nach Ansicht des BVMed die Innovationskraft Deutschlands durch eine bessere Datennutzung stärken. 

Die nationale Regelung muss die „richtige Weichen stellen“, um die enormen Chancen für die Gesundheitsversorgung im europäischen Raum für Gesundheitsdaten (EHDS) auszuschöpfen, heißt es in einem neuen Positionspapier des BVMed-Arbeitskreises Digitalisierung. „Dazu gehört eine angemessene Datennutzung für Unternehmen der industriellen Gesundheitswirtschaft“, betont BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll. Eine für die Industrie mögliche und rechtssichere Datennutzung trägt nach Ansicht des Verbands auch zur Stärkung des Innovations- und Wissenschaftsstandortes in Deutschland bei. Wichtig sei es, dass PatientInnen vollumfänglich über die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten bestimmen könnten. 

Gesundheitsdaten sind elementar, um Krankheiten vorzubeugen, frühzeitig zu erkennen und passgenau zu behandeln. Die Nutzung dieser Daten ermöglicht auch schnelle sowie effektive Produktentwicklungen und -verbesserungen. Damit sichern Gesundheitsdaten eine bedarfsgerechte PatientInnenversorgung auf einem qualitativ und technisch hohen Niveau.

Nachholbedarf

Der BVMed begrüßt die auf europäischer Ebene vorgesehene EHDS-Einführung. Gleichzeitig sieht der Verband jedoch einen großen Nachholbedarf bei der Schaffung der Grundlagen zu seiner Umsetzung auf nationaler Ebene. Deshalb müsse das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz, das derzeit im Bundesgesundheitsministerium erarbeitet wird, vorausschauend mit Blick auf die EU-Gesetzgebung gestaltet und international anschlussfähig sein. „Widersprüche und unterschiedliche nationale rechtliche Auslegungen insbesondere hinsichtlich der europäischen Datenschutzgrundverordnung müssen vermieden werden“, so die Forderung.

BVMed sieht Regelungsbedarf in sechs Bereichen:

1. Daten in PatientInnenhand

PatientInnen sollen laut BVMed die regulatorischen, technologischen und informationellen Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, um vollumfänglich über die Nutzung ihrer personenbezogenen Daten bestimmen zu können. Ein verständliches „Datendashboard“ würde die Motivation selbstbestimmten Handelns stützen.

2. Zugang zum Forschungsdatenzentrum

Die forschenden Gesundheitsunternehmen müssen nach Ansicht des BVMed ausdrücklich zu den nutzungsberechtigten Institutionen gehören, die ein Antragsrecht auf die Nutzung von Abrechnungsdaten und medizinischen Routinedaten aus dem Forschungsdatenzentrum (FDZ) haben. Die bereitgestellten Daten müssen zur Entwicklung neuer Medizinprodukte und KI-Innovationen, zur Überprüfung bestehender Produkte sowie für die Erhebung von Evidenz auch für obligatorische Marktzugangs- und Erstattungsprozesse genutzt werden dürfen.  

3. Nutzbarkeit forschungsrelevanter Datensätze

Neben den Routine- und Abrechnungsdaten, die in Zukunft im Forschungsdatenzentrum liegen sollen, verfügen die unterschiedlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens über viele weitere forschungsrelevante Datensätze. Grundsätzlich sollten diese diese Datensätze ebenso wie zukünftig generierte forschungsrelevante Datensätze für Unternehmen der MedTech-Branche nutzbar zu machen, so der Verband.

4. Schaffung und Anwendung von Datenräumen

Die MedTech-Branche setzt sich dafür ein, dass bei dem Aufbau und der Nutzung von Datenräumen die etablierten Standards der International Data Spaces (IDS) Association berücksichtigt werden. 

5. Einsatz moderner Technologien zum Schutz der Daten

Durch Investitionen in moderne Technologien zur Anonymisierung, Pseudonymisierung oder Datensynthetisierung kann nach Ansicht des BVMed die Akzeptanz erhöht und der Schutz der persönlichen Daten gewährleistet werden. 

6. Interoperabilität und internationale Standards

Gesundheitsdaten sind am wertvollsten, wenn sie standardisiert und strukturiert vorliegen. Standards dürfen nicht einseitig für den deutschen Gesundheitsmarkt gesetzt werden, sondern anhand internationaler Standards gemeinsam mit der Industrie, so der Verband. Der Beschluss des Interop Councils, den Einsatz von HL7 FHIR als Voraussetzung für die Standardisierung zu nehmen, sei dabei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Grundsätzlich müssten nicht nur Datenlieferung und -struktur, sondern auch die Regulierung wie Zugangsberechtigungen bundeseinheitlich erfolgen.  

Gleichberechtigter Zugang wichtig

„Vor dem Hintergrund einer immer stärker von Daten gestützten Gesundheitsversorgung gewinnen Medizinprodukte an Bedeutung, die in den vernetzten Versorgungszusammenhängen und integrierten Datenflüssen zum Einsatz kommen“, so BVMed-Digitalexpertin Natalie Gladkov. Umso wichtiger sei es, dass den MedTech-Unternehmen und Hilfsmittel-Leistungserbringern selbst ein gleichberechtigter Zugang zu Gesundheitsdaten gewährt werde um den Anforderungen des Gesundheitssystems nachzukommen und die Versorgung kontinuierlich zu verbessern.