Es geht nicht mehr um das Ob, aber um das Wie. Der 8. Deutsche Interoperabilitätstag offenbarte viele offene Detailfragen, die für weitere Fortschritte im digitalen Gesundheitswesen geklärt werden müssen.
Über mangelndes Interesse konnten sich die Veranstalter nicht beklagen: Mit 160 Teilnehmern war der 8. Deutsche Interoperabilitätstag (DIT), der vom 17.-18. Oktober 2023 in Berlin stattfand, gut frequentiert. Im Fokus standen das Digital-Gesetz sowie das Gesundheitsdatennutzungsgesetz des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Diskutiert wurde auch die Frage, inwiefern die Regelungen zur Interoperabilität bereits genügen oder weiterentwickelt werden müssen.
In ihrer Keynote verdeutlichte Dr. Susanne Ozegowski, Abteilungsleiterin für Digitalisierung und Innovation im BMG, dass das Thema Interoperabilität sehr ernst genommen wird : „208 Mal ‚Interoperabilität‘ im DigiG zeigt unsere Überzeugung: Erfolgreiche Digitalisierung funktioniert nur mit Interoperabilität. Daher wird Interoperabilität zukünftig zum Muss-Kriterium für Gesundheits-IT-Systeme, um am Markt eingesetzt werden zu können“, betonte sie. Stefan Höcherl, Leiter Strategie und Standards bei der Gematik, lobte im Anschluss das Engagement der Community und stellte die Bemühungen der Gematik zur Interoperabilität vor: „Voraussetzung für verbindliche und genutzte Standards ist die konsequente Einbindung der Community“, so Höcherl. „Die Vorarbeit ist geleistet. Nun gilt es, gemeinsam darauf aufbauend konkrete Mehrwerte für die Versorgung zu erzielen.“
Offene Aufgaben- und Kompetenzverteilung
Am erklärten Willen mangelt es folglich nicht. Abzuwarten bleibt, wie die Regelungen zur Interoperabilität aus den Digitalgesetzen umgesetzt werden und ob sie die gewünschten Ergebnisse erzielen. Offene Fragen gibt es vor allem bezüglich der Aufgaben- und Kompetenzverteilung. Inerop Council, Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen und Digitalbeirat – all diese Gremien sollen das Thema zukünftig mit Leben füllen und vorantreiben. Zunächst gilt es, die Aufgaben dieser einzelnen Gremien zu schärfen und voneinander abzugrenzen. „In puncto Interoperabilität lässt das Digital-Gesetz momentan noch viele Fragen offen“, unterstrich bvitg-Geschäftsführerin Melanie Wendling. „Wichtig ist, dass wir priorisieren und Kompetenzen klar verteilen. Wir müssen endlich weg vom Reden und hin zum Doing kommen.“
Veranstaltet wird der Deutsche Interoperabilitätstag (DIT) vom Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V., HL7 Deutschland e. V., IHE Deutschland e. V., dem Spitzenverband IT-Standards im Gesundheitswesen (SITiG) und der ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH.
Die kontroverse Diskussion, an der sich auch das Publikum beteiligten konnte, offenbarte viele offene Fragen zu unterschiedlichen Themen. Die Vorsitzende des SITiG Professorin Sylvia Thun lenkte den Blick auch auf die europäische Ebene. Wichtig seien internationale Standards ohne nationale Sonderwege.
Konkret wurde es im Anschluss in der DIT-Diskussionsrunde mit fünf offenen Dialogrunden zu den Themen International Patient Summary, ePA und Forschungsdaten, EHDS (European Health Data Space), Interop und Teilhabe für Gesundheitsfachberufe sowie IOP-Roadmap. Die Sessions, für jeweils etwa 30 Teilnehmende, boten genügend Raum, um konkrete Probleme und Anwendungsbeispiele zu besprechen.
Potential der Datennutzung
Beispiele für bereits gelebte Interoperabilität aus der Versorgung lieferten beim DIT-Programm Tobias Hartz, Geschäftsführer des Klinischen Krebsregister Niedersachsen, sowie Stefan Spieren, Facharzt für Allgemeinmedizin und -chirurgie. Von KIM über eAU und E-Rezept: in seiner Hausarztpraxis nutzt Stefan Spieren die vorhandenen digitalen Möglichkeiten voll aus. Digitale Kommunikation, etwa über KIM, erleichtere ihm und seinem Team die tägliche Arbeit enorm und sei definitiv ein Fortschritt. Verbesserungspotenial sieht er in der User Experience. Erst dann könne man mehr Ärzte für die Digitalisierung gewinnen. Tobias Hartz gewährte in seinem Vortrag einen kleinen Einblick in das Potential der Datennutzung für Krebsregister, die von interoperablen Strukturen nur profitieren könnten. Klinische Krebsregister sollen bald mit den Forschungsdatenzentren verknüpft werden, wodurch sich ganz neue Potentiale für Forschung und Versorgung ergeben.