Digitalisierung in der Pflege ist im Umbruch

Bernadette Hosters, Leitung Entwicklung und Forschung Pflege an der Universitätsmedizin Essen. (Foto: Universitätsmedizin Essen)
Bernadette Hosters, Leitung Entwicklung und Forschung Pflege an der Universitätsmedizin Essen. (Foto: Universitätsmedizin Essen)

Bernadette Hosters ist vom Bundesverband Pflegemanagement zur Nachwuchs-Pflegemanagerin des Jahres 2023 ausgezeichnet worden. Mit mednic.de sprach die Leiterin Entwicklung und Forschung Pflege an der Universitätsmedizin Essen über den Wert von Digitalisierung in der Pflege.

mednic.de: Mancherorts sorgt die Digitalisierung eher für einen erhöhten Aufwand für die Mitarbeitenden, als zu deren Entlastung beizutragen. Wie lässt sich erreichen, dass Digitalisierung Pflegekräfte tatsächlich entlastet? 

Bernadette Hosters: Ich denke, hier sollte unterschieden werden zwischen früher und heute. Ganz zu Beginn der Digitalisierung in der Pflege ging es zunächst darum Leuchtturm-Projekte zu realisieren, die deutlich machen, was generell möglich ist. Dabei stand tatsächlich nicht unbedingt der Mehrwert im Fokus, noch fügten sich die eingesetzten Produkte überhaupt in die bestehenden Infrastrukturen ein.

Das hat sich mittlerweile gewandelt. Die Erkenntnis, dass Insel-Lösungen nicht nachhaltig zur Entlastung beitragen, hat sich durchgesetzt. Nach dem Motto „ein schlechter Prozess bleibt ein schlechter Prozess, auch wenn er digitalisiert wird“ wird heute vom Prozess ausgehend gedacht und entschieden, welche Lösung sinnvoll ist und am besten in die bestehende Infrastruktur sowie zur Gesamtstrategie passt. Dazu bedarf es des Austausches zwischen den beteiligten Fachabteilungen und – ganz wichtig – auch der Bewertung derjenigen, die am Ende eine Anwendung nutzen. Dann kommt in der Regel auch eine Lösung dabei raus, die tatsächlich zur Entlastung des Pflegepersonals beiträgt.

mednic.de: In welchen Bereichen wird Digitalisierung in der Pflege zukünftig eine Rolle spielen? 

Hosters: Ohne digitale Medizintechnik, Dashboards, die Patientendaten strukturiert darstellen, und elektronische Patientenakte geht es eigentlich schon jetzt nicht mehr. Ich denke, die sektorenübergreifende Versorgung ist der Bereich, in dem die Digitalisierung zukünftig eine noch deutlich größere Rolle spielen muss und wird. Es muss sichergestellt werden, dass Patientendaten ohne Reibungsverluste an den ambulanten Sektor übergeben werden können und zugleich wird das ambulante Monitoring durch digitale Lösungen an Bedeutung gewinnen. Hierdurch wird sich die Rolle des Pflegepersonals dahingehend verändern, dass es den Übergang zwischen den Sektoren stärker beratend im direkten Patientenkontakt begleiten wird. Im Rahmen dessen wird es dann sicherlich auch die Anleitung zur Anwendung der digitalen Anwendungen selbst übernehmen.

mednic.de: Inwieweit kann Digitalisierung dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu reduzieren? 

Hosters: Hier gibt es aus meiner Sicht zwei wesentliche Hebel. Zum einen tragen digitale Lösungen schon heute dazu bei, Pflegepersonal sowohl körperlich als auch administrativ zu entlasten. Dadurch bleibt wieder mehr Zeit für die direkte Versorgung der Patientinnen und Patienten, was nachweislich die Arbeitszufriedenheit steigert. Zugleich ergeben sich aus der Digitalisierung ganz neue und interessante Rollen-Profile für Beschäftigte in der Pflege und neue Aufgaben sowie Chancen, Prozesse im Rahmen der Digitalisierung zu überdenken und aktiv mitzugestalten. Auch das trägt meiner Erfahrung nach dazu bei, dass die Pflege für viele wieder attraktiver wird.