Krankenhäuser weiterhin in finanzieller Schieflage

Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in Deutschland ist nach wie vor angespannt. Jedem neunten Krankenhaus droht die Pleite. Die Ertragslage der Kliniken hat sich hingegen bereits im zweiten Jahr in Folge verbessert. Das zeigen die Ergebnisse des Krankenhaus Rating Reports 2016, der jetzt im Rahmen des Hauptstadtkongresses Medizin und Gesundheit in Berlin vorgestellt worden ist.

Die vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), dem Institute for Health Care Business und Philips  durchgeführte Studie untersucht die finanzielle Situation von über 870 Krankenhäusern und gibt einen Ausblick bis 2030. Der Report basiert auf einer Stichprobe von 517 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2013. Sie umfassen insgesamt 871 Krankenhäuser mit einem am Umsatz gemessenen Marktanteil von 69 Prozent. Zudem flossen 333 Jahresabschlüsse aus dem Jahr 2014 in die Auswertung ein.

Die durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit blieb 2014 mit 1,17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (1,14 Prozent) nahezu unverändert hoch. Zwar haben rund 78 Prozent der Kliniken eine gute bis sehr gute Bonität. Rund elf Prozent der Krankenhäuser haben jedoch ein erhöhtes Insolvenzrisiko „Jedem neunten Krankenhaus droht die Pleite”, sagt  Studienautor Dr. Sebastian Krolop, Partner und Vice President Philips Healthcare Transformation Services EMEA (Europe, Middle East, Africa).

Ostdeutsche Kliniken gut aufgestellt

Den Studienergebnissen zufolge war die wirtschaftliche Lage in ostdeutschen Bundesländern auch 2014 wieder am besten. Am schwierigsten war sie in Niedersachsen/Bremen, Baden-Württemberg und Hessen. Zwar gibt es einige Verbesserungen. Trotzdem sind die Krankenhausstrukturen in vielen Regionen ungünstig, es gibt zu viele kleine Einrichtungen, eine zu hohe Krankenhausdichte und zu wenig Spezialisierung, die wichtig ist für die Wirtschaftlichkeit und die Qualität der Kliniken. Öffentlich-rechtlichen Häuser gerieten mit 21 Prozent im Jahr 2014 häufiger in wirtschaftliche Schieflage als die freigemeinnützigen (zehn Prozent) und die privaten (drei Prozent). Erfreulich hingegen ist die Entwicklung der Ertragslage, die sich schon im zweiten Jahr in Folge verbessert. Während 2012 knapp 34 Prozent aller Krankenhäuser einen Jahresverlust geschrieben haben, waren es 2014 nur noch 23 Prozent. Das durchschnittliche Betriebsergebnis (= EBITDA-Marge inkl. KHG-Mittel) steigert sich im gleichen Zeitraum von 6,9 Prozent auf 7,7 Prozent.

Investitionen reichen nicht aus

Zwar verzeichnen die Kliniken eine erhöhte Ertragskraft. Gleichzeitig jedoch ist es um die Investitionsfähigkeit deutscher Krankenhäuser weiterhin schlecht bestellt. So stand 2014 dem Investitionsbedarf in Höhe von 6,6 Milliarden Euro eine Investitionslücke von 3,9 Milliarden Euro gegenüber. „Die Bundesländer kommen ihren Verpflichtungen im Rahmen der dualen Finanzierung nur unzureichend nach“, kritisiert Krolop. „Um die Versorgungsqualität zu sichern, bestreiten die Krankenhäuser notwendige Investitionen in bauliche Maßnahmen und Medizintechnik gezwungenermaßen zum Teil aus eigenen Mitteln. Im Jahr 2014 macht dies fast zwei Milliarden Euro aus“, so Krolop weiter. „Das Problem dabei sei, dass nur die Hälfte der Kliniken überhaupt in der Lage sei, ausreichend viele Investitionen zu tätigen. „Der Rest lebt von der Substanz. Bundesweit sehen wir inzwischen einen Investitionsstau von stolzen 27,8 Mrd. Euro“, mahnt der Studienleiter.

Die Zahl der Krankenhausfälle stieg 2014 um 1,9 Prozent, das gesamte Leistungsvolumen (Casemixvolumen) um zwei Prozent. Die Zahl der Betten stabilisierte sich bei knapp über 500 000, während sich die Zahl der Krankenhäuser um 0,9 Prozent auf 1.980 Kliniken verringerte. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten sank auch 2014 und lag bei 7,4 Tagen. Die höchsten Krankenhauskosten pro Einwohner gab es mit 1.203 Euro im Saarland und die niedrigsten mit rund 892 Euro in Baden-Württemberg am niedrigsten.

E-Health für ländliche Regionen

In einer Sonderanalyse wurden zudem die ländlichen Grundversorger näher untersucht. Dazu zählen Krankenhäuser mit 50 bis 200 Betten, die nicht in kreisfreien Städten oder Stadtstaaten liegen und keine Fachkliniken sind. Insgesamt 231 solcher ländlicher Grundversorger mit rund 133 Betten je Einrichtung gab es 2014. Ihre wirtschaftliche Lage war schlechter als der Durchschnitt. Insbesondere in schrumpfenden ländlichen Regionen sollten nach Ansicht der Studienautoren deshalb daher neue Gesundheitsangebote geschaffen werden. Diese Angebote sollten Kapazitäten zentral und sektorenübergreifend bündeln durch mobile Dienste und moderne Technik die Fläche abdecken und insbesondere die Notfallversorgung sicherstellen, so die Empfehlung.

Um Leistungsrationierungen und Beitragssatzerhöhungen abzumildern, ist ein solides Wirtschaftswachstum die Voraussetzung. Außerdem raten die Studienautoren zu Maßnahmen, welche die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen dämpfen und die Produktivität der Leistungserbringung im Gesundheitswesen erhöhen. Sinnvoll sei ein bundesweiter „Investitionspakt“ sowie ein „Pakt für ländliche Versorgung“, um mit Hilfe von sektorenübergreifenden Angeboten die Menschen auf dem Land weiterhin adäquat versorgen zu können. Zudem empfehlen die Forscher eine Weiterentwicklung des DRG-Systems, um derzeit bestehende Fehlanreize zu reduzieren. Eine Optimierung von Prozessen und Systemen sei sinnvoll, um das knapper werdende Personal so effizient wie möglich einzusetzen. Qualitätswettbewerb und mehr Marktdynamik könnten dazu helfen, weniger effiziente Angebote zügiger durch effizientere ersetzen zu können. Neben Verbundbildung und Netzwerkmedizin könnte außerdem ein Plus an Digitalisierung dabei helfen, Krankenhäuser aus der wirtschaftlichen Schieflage zu führen. Die Studie ist online erhältlich.