Depression: Online-Coach für Angehörige

Mit dem „Familiencoach Depression“ bietet die AOK nun ein neues Online-Programm. Es richtet sich an Angehörige von an Depression erkrankten Menschen und soll ihnen dabei helfen, mit häufigen Symptomen wie Freudlosigkeit oder Antriebslosigkeit gut umzugehen.

„In vier Trainingsbereichen erfährt man, wie man seinen erkrankten Angehörigen, Freund oder Bekannten unterstützen und sich selbst vor Überlastung schützen kann”, sagt Prof. Elisabeth Schramm vom Universitätsklinikum Freiburg, die das Programm in Zusammenarbeit mit der AOK entwickelt hat. Der Umgang mit einem depressiv erkrankten nahestehenden Menschen könne mit großen Sorgen verbunden sein und bringe die Angehörigen mitunter an ihre Belastungsgrenzen.

Auch Fokusgruppen von Angehörigen und betroffenen Patienten waren an der Entwicklung des Programms beteiligt, das Angehörige spürbar entlasten soll. Zu dem Coaching gehören unter anderem 14 Videos. Sie sollen zeigen wie es gelingt, die Beziehung zum erkrankten Angehörigen wieder zu stärken mit Krisensituationen umzugehen. Gleichzeitig erfahren die Angehörigen, wie die den Erkrankten unterstützen können und sich selbst in dieser schwierigen Situation nicht zu überfordern. Darüber hinaus vermittelt das Programm Wissen über die Erkrankung. „Experten geben in kurzen Interviews wichtige Hinweise – zum Beispiel zu der Frage, wie man sich verhalten sollte, wenn man bei einem Familienmitglied oder Freund Suizid-Gedanken vermutet“, erläutert Schramm.

Angehörige mit Wissenslücken zu Depression

37 Prozent der Deutschen haben im „Deutschland-Barometer Depression“ der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutsche Bahn Stiftung angegeben, dass bei einem Angehörigen oder Bekannten von ihnen schon einmal die Diagnose Depression gestellt wurde. Die Studie habe zum Teil erhebliche Wissenslücken bei den Angehörigen gezeigt, sagt Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe: So glaubt jeder dritte Angehörige fälschlicherweise, dass Depression ein Resultat von Charakterschwäche sei, während es bei den Betroffenen 22 Prozent der Befragten sind.“ 85 Prozent der Angehörigen seien der Meinung, dass Antidepressiva süchtig machten – im Vergleich zu 60 Prozent der Betroffenen.

Wissensdefizite abbauen

Derartige Vorurteile und Wissensdefizite können nach Einschätzung von Hegerl dazu führen, dass Angehörige die Betroffenen nicht optimal unterstützen. Es sei daher wichtig, dass sich die sich gut über die Erkrankung informieren könnten. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe begrüße das neue AOK-Angebot, das die Informationsangebote der Stiftung sinnvoll ergänze. „Wir haben die Konzeption im Projektbeirat begleitet und mit einem Experteninterview zum Umgang mit Suizidversuchen unterstützt“, so Hegerl.

Anonym nutzbar

„Eine depressive Erkrankung eines nahestehenden Menschen verursacht oft hohe psychosoziale Belastungen, die die Lebensqualität, aber auch den Gesundheitszustand der Angehörigen beeinträchtigen können, weiß Dr. Christiane Roick, stellvertretende Leiterin des Stabs Medizin beim AOK-Bundesverband. Während Psychoedukationskurse für Patienten bereits zum Standardrepertoire der Versorgung gehörten, seien entsprechende Kurse für die Angehörigen aber noch deutlich seltener. Nur gut ein Drittel der psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken in Deutschland halte solche nachweislich wirksamen Angebote vor, und nur ein Fünftel der in Frage kommenden Angehörigen nutze sie.

Gründe für die geringe Inanspruchnahme sind unter anderem Kurszeiten, die Berufstätigen eine Teilnahme erschweren. Auch die Furcht von einer Stigmatisierung hält Angehörige davon ab, solche Kurse zu besuchen. Diese Hürden sollen nun mit dem Online-Kurs überwunden werden, der einen anonymen sowie zeitlich und örtlich flexiblen Zugang zu den Informationen ermöglicht.

Das interaktive Online-Programm ist für jeden Interessierten kostenfrei online verfügbar. Die Nutzer müssen nicht bei der AOK versichert sein. AOK-Versicherte können darüber hinaus Herbst 2018 zusätzlich an Experten-Videochats teilnehmen, in denen Prof. Elisabeth Schramm Fragen zum Familiencoach beantworten soll.