Demenz: Viele Apps mit unzureichender Qualität

KI ermöglicht personalisierte Behandlungsansätze bei Demenz. (Foto: lightwise/123rf.com)

Apps für Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen gibt es einige. Bei vielen dieser Apps ist die Qualität jedoch alles andere als überzeugend, wie die Ergebnisse einer jetzt veröffentlichten Studie zeigen.          

Gedächtnistrainings, Übungen zur Gehirnfitness, Demenz-Früherkennungstests oder Organisationshilfen für den Pflegealltag: Für die Wirksamkeit der meisten Demenz-Apps, die auf dem sogenannten Selbstzahlermarkt verfügbar sind, gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Zudem reichen viele Demenz-Apps über eine mittelmäßige Nutzerqualität nicht hinaus. Zu diesen Ergebnissen kommen Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Digitalen Demenzregisters Bayern (digiDEM Bayern). Im Rahmen der Studie hatten sie den Nutzen deutschsprachiger, mobiler Gesundheitsanwendungen für an Demenz Erkrankte und deren pflegende An- und Zugehörige bewertet.

Die Beurteilung der Nutzerqualität erfolgte dabei mit dem international anerkannten Bewertungsinstrument MARS-D („Mobile App Rating Scale“, deutsche Version). Kriterien für die Nutzerqualität waren unter anderem Funktionalität, Ästhetik, Informationsgehalt und Fragen zur Patientensicherheit und Güte des therapeutischen Angebots. Der Bereich der Patientensicherheit erhielt die niedrigste und damit schlechteste Bewertung, wie Michael Zeiler vom Lehrstuhl für Medizinische Informatik der FAU und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Digitales Demenzregister Bayern (digiDEM Bayern) erläutert. „Dies betrifft Fragen zu möglichen Risiken und schädlichen Effekten wie etwa falsche Rückmeldungen und unkorrekte Informationen. “

Apps in vier Kategorien

Für ihre Studie haben die Forschenden die Apps in vier Kategorien eingeteilt. Die Kategorie „Informationen“ umfasst Apps, die Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen unterschiedliche Informationen über die Erkrankung zur Verfügung stellen. In der Kategorie „Kognitives Training & Spiele“ finden sich Anwendungen, welche die kognitiven Fähigkeiten der Erkrankten fördern und den kognitiven Abbau verlangsamen sollen. Die Pflegenden erhalten teilweise Trainingsideen, die ohne digitale Anwendungen gemeinsam durchgeführt werden können. Die Apps der Kategorie „Screening“ sollen mithilfe unterschiedlicher Tests kognitive Beeinträchtigungen ermitteln, um den Anwendern bei einem entsprechenden Verdacht eine Arztkonsultation vorzuschlagen. In der Kategorie „Unterstützungsmaßnahmen“ sind Anwendungen zusammengefasst, Erkrankte und ihre pflegenden Angehörigen im Alltag unterstützen sollen. Hier lassen sich dann zum Beispiel in einem Chatroom Bilder und Ereignisse miteinander teilen.

„Digitale Kurpfuscherei“: Wirksamkeit vieler Apps nicht belegt

Das Forscherteam rund um Michael Zeiler untersuchte nicht nur die Nutzerqualität, sondern auch die die wissenschaftliche Evidenz der insgesamt 20 Gesundheits-Apps. Auch hier enttäuschten viele der vermeintlichen „digitalen Helfer“. „Die Wirksamkeit der meisten Demenz-Apps ist überhaupt nicht wissenschaftlich belegt. Wenn für derartige Demenz-Apps ohne Wirksamkeitsbelege Geld verlangt wird, so ist das ‚digitale Kurpfuscherei‘“, kritisiert Neurologe und Gesundheitsökonom Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas. 

Studien gab es nur zu sechs Apps (30 Prozent). Die Forschenden haben festgestellt, dass über Anwendungen, die in der Qualitätsbewertung einen guten Wert erreichten, häufig auch wissenschaftliche Artikel veröffentlicht wurden. 

Für mehr Transparenz und Aufklärung in der Bevölkerung

„Je besser Gesundheits-Apps erforscht sind, desto besser gelingt die Gesundheitsversorgung und desto transparenter gestaltet sich der Markt der Digitalen Gesundheitsanwendungen”, so Zeiler. Bislang zählen die meisten Gesundheits-Apps nicht als Medizinprodukte. Eine App muss zunächst ein Prüfverfahren durchlaufen, um vom Bundesamt für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) als Digitale Gesundheitsanwendung in das entsprechende Verzeichnis aufgenommen zu werden. Ziel ist es zu zeigen, welche Anwendungen die Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit tatsächlich erfüllen. Auf diese Weise soll die Transparenz auf dem Markt gesteigert werden. „Der positive Versorgungseffekt ist nicht immer nachgewiesen“, so Kolominsky-Rabas, der Co-Autor der Studie ist. Die Forschenden fordern deshalb dringend, eine regelmäßige Qualitätsüberprüfung der Gesundheits-Apps nach strengen wissenschaftlichen Kriterien gemäß internationaler Standards vorzunehmen. Die Ergebnisse der Studie lassen sich online abrufen