Die Diagnose von Bluterkrankungen zu vereinfachen hat sich eine Gruppe von Forschenden zum Ziel gesetzt. Dabei soll künstliche Intelligenz (KI) eine wichtige Rolle spielen.
Die Forschungsgruppe unter der Leitung von Helmholtz Munich will die zeitintensive mikroskopische Begutachtung von Knochenmarkzellen mithilfe von KI erleichtern. Dafür haben die Forschenden die bisher größte, öffentlich zugängliche Datenbank mit mikroskopischen Aufnahmen von Knochenmarkszellen veröffentlicht. Sie dient als Basis für ein KI-Modell mit hohem Potenzial für die Anwendung in der Routinediagnostik.
Schub für etablierte Methode
Zur Diagnose von Bluterkrankungen werden in hämatologischen Laboren auf der ganzen Welt tausendfach pro Tag Knochenmarkszellen manuell klassifiziert. Diese etabliere Methode kommt bereits seit 150 Jahren zum Einsatz. Dabei analysiert geschultes Personal gefärbte Präparate von Knochenmarkzellen unter dem Lichtmikroskop. Vor allem, wenn man nach seltenen, aber diagnostisch relevanten Zellen sucht, ist das ein aufwändiger und zeitintensiver Vorgang. Künstliche Intelligenz könnte die Diagnose vereinfachen und so zu einem wichtigen Eckpfeiler der Diagnostik werden. Allerdings mangelte es bislang an quantitativ und qualitativ ausreichenden Daten zum Training entsprechender Algorithmen.
Größte öffentliche Datenbank
In einer Kooperation von Helmholtz Munich mit dem LMU Klinikum, dem MLL Münchner Leukämie Labor (das weltweit zu den größten Diagnostikanbietern auf diesem Gebiet zählt) und dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen erstellte die Forschungsgruppe die bisher größte öffentlich zugängliche Sammlung an mikroskopischen Einzelzellbildern aus Knochenmarkspräparaten. Die Datenbank besteht aus mehr als 170.000 Einzelzellbildern von über 900 Patientinnen und Patienten mit verschiedenen Bluterkrankungen.
Basis für neuroyales Netz
„Auf Basis dieser Datenbank haben wir ein neuronales Netz entwickelt, das vorherige KI-Algorithmen zur Zellklassifikation an Genauigkeit, aber auch an Verallgemeinerbarkeit übertrifft“, sagt Christian Matek, Direktor des Helmholtz Munich Institute of AI for Health und Erstautor einer neuen Studie zum Thema. Bei dem neuronalen Netz handelt sich um ein Konzept aus dem Bereich des tiefen maschinellen Lernens, das speziell für das Verarbeiten von Bildern geeignet ist. „Die Analyse von Knochenmarkszellen ist bisher noch nicht mit modernen neuronalen Netzen bearbeitet worden“, so Matek. Das liege auch daran, dass hochqualitative, öffentliche Datensätze bislang nicht zur Verfügung standen.
Die Forschenden wollen die Knochenmarkszelldatenbank weiter ausbauen um ein breiteres Spektrum an Befunden erfassen und das Modell prospektiv validieren zu können. Für Forschende, für die Schulung von Fachpersonal oder als Referenz für weitere KI-basierte Ansätze steht die Datenbank frei zur Verfügung.