Bessere Datenanalyse soll Erkrankungen vorhersagen

Können schwere Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson künftig in einem sehr frühen Stadium erkannt werden? Anhand einer verbesserten Auswertung von per Elektroenzephalografie (EEG) gemessenen Hirnströmen soll dies künftig sogar ohne operative Eingriffe gelingen.

Ziel eines Forschungsprojektes TrueBrainConnect an der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es, auf nichtinvasivem Weg Verbindungen zwischen Gehirnregionen systematisch zu untersuchen und Rückschlüsse auf mögliche Erkrankungsmuster zu ziehen. Die Forscher um den Informatiker und Experten auf dem Gebiet des maschinellen Lernens, Dr. Stefan Haufe, wollen komplexe Vorhersagemodelle für mentale Zustände schaffen. Grundlage hierfür sollen EEG-Daten bilden. Die neue Arbeitsgruppe wird über fünf Jahre durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert und am Berlin Center for Advanced Neuroimaging der Charité angesiedelt sein.

Gesetzmäßigkeiten ableiten

Dem Projekt TrueBrainConnect liegt die Annahme zugrunde, dass sich einige neurologische Erkrankungen bereits vor ihrem Ausbruch äußern, oder aber, bevor es zu Auffälligkeiten in der Gehirnstruktur oder im Verhalten kommt. Die Hypothese ist, dass sich die Erkrankungen durch Unregelmäßigkeiten in der Kommunikation zwischen Gehirnarealen ankündigen. Die neue Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Haufe möchte Methoden entwickeln, die Gehirninteraktionen robust schätzen und lokalisieren können und damit die Prognose von krankhaften Gehirnzuständen verbessern. „Die Aufzeichnung von Hirnströmen per Elektroenzephalografie (EEG) ist eine der bewährtesten Neuroimaging-Methoden und ermöglicht das Studium von Gehirnaktivität quasi in Echtzeit. Diese Daten überführen wir in Computermodelle und leiten Gesetzmäßigkeiten über Interaktionen innerhalb des Gehirns ab“, erklärt Dr. Haufe das Vorhaben.

Bessere Diagnosen

Bislang sind Methoden, die Neuroimaging-Daten auf diese Weise auswerten, noch nicht weit genug entwickelt, um sichere Aussagen treffen zu können. Neue Techniken der Signalverarbeitung und des maschinellen Lernens sollen dafür sorgen, wesentlich genauere Aussagen über die Herkunft von Gehirnsignalen und über tatsächliche neuronale Interaktionen zu treffen. Hierfür soll das Forschungsteam eng mit Experten aus der Klinik zusammenarbeiten: „Die neue TrueBrainConnect-Methode soll in der Lage sein, neuronale Muster darzustellen, auf denen Erkrankungen wie Demenz oder Parkinson basieren. Wesentliche Ziele dabei sind unter anderem das Erkennen von Krankheitsvorboten sowie die Abgrenzung verschiedener Formen von Demenz.“ Die weitverbreiteten neurologischen Erkrankungen könnten so künftig im Vorfeld besser diagnostiziert werden, hoffen die Forscher.

Technische Schwierigkeiten überwinden

Bis es so weit ist, sind jedoch noch viele Hürden zu überwinden. So bleibt bei jedem aufgezeichneten Signal die Frage, ob es eindeutig einer Interaktion zwischen Gehirnarealen zuzuordnen ist oder einen anderen Ursprung hat. Neben zahlreichen Vorteilen bleiben auch bei der Datenquelle EEG technische Schwierigkeiten, für die es Lösungen zu finden gilt. Beispiele sind die geringe räumliche Auflösung sowie die Tatsache, dass Aufzeichnungen oft stark rauschbehaftet sind. „Für verbesserte Vorhersagen wird TrueBrainConnect moderne Methoden des maschinellen Lernens einsetzen. Eine wichtige Frage, der sich das Projekt in diesem Zusammenhang widmen wird, ist die korrekte Interpretation der neuen Modelle, das heißt, zu erkennen, welche Muster in der Gehirnaktivität ausschlaggebend für eine bestimmte Vorhersage sind“, so Dr. Haufe.

„Die Forschung von Dr. Haufe schließt eine wichtige Lücke und stellt die EEG-Forschung auf ein methodisch solides Fundament“, sagt Prof. Dr. John-Dylan Haynes, Direktor des Berlin Center for Advanced Neuroimaging und Wissenschaftler am Bernstein Center for Computational Neuroscience der Charité. TrueBrainConnect wird sich an der Schnittstelle zweier hochaktueller Forschungsfelder bewegen, der Analyse von funktioneller Gehirn-Konnektivität und der Erforschung altersbedingter neurologischer Störungen.

Herzstück der Arbeiten bilden dabei die Entwicklung neuer Methoden der Signalverarbeitung und des maschinellen Lernens sowie verbesserte Statistiktechniken zur Analyse von Neuroimaging-Daten. In einem zweiten Schritt sollen die neuen Methoden in der praktischen Anwendung erprobt werden. So soll es gelingen, neurologische Erkrankungen effektiver als heute zu untersuchen. In den Bereichen Brain-Computer-Interfacing und Mental-State-Monitoring, aber auch in der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung und in der klinischen Forschung sollen die neuen Techniken künftig zum Einsatz kommen.