Bekannter Demenztest als App

KI ermöglicht personalisierte Behandlungsansätze bei Demenz. (Foto: lightwise/123rf.com)

Der Uhrentest gilt seit Jahrzehnten als ein einfaches und effektives Verfahren, um räumliche Orientierungsstörungen und Demenzen zu diagnostizieren. Jetzt wollen Forscher eine digitale Variante in Form einer App entwickeln.

Am Lehrstuhl für Mustererkennung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler künstliche neuronale Netze mit 2500 solcher Tests „gefüttert“, um ihnen beizubringen, diese selbständig auszuwerten. Die Forscher planen die Veröffentlichung einer Open Source Software, die medizinischen und neuropsychologischen Fachleuten weltweit die Diagnose von Demenz erleichtern soll.

Uhrentest für mehr Gewissheit

Immer mehr Menschen erkranken an Demenz. Damit Betroffene möglichst früh medizinisch begleitet werden können, sind sichere und einfache Diagnosemethoden entscheidend. Ärztinnen und Ärzte weltweit nutzen dafür den Uhrentest an. Das Verfahren ist standardisiert und einfach: Der Patient bekommt ein Blatt Papier mit einem vorgezeichneten Kreis vorgelegt und soll die Ziffern einer Uhr einzeichnen, um anschließend zum Beispiel die Uhrzeit 11.10 Uhr einzutragen.

Je nachdem, wie stark die Zeichnung von der richtigen Lösung abweicht, lassen sich Rückschlüsse auf das Ausmaß der Hirnfunktionsstörung ziehen. Die behandelnde medizinische Fachperson vergibt in der Bewertung des Tests üblicherweise Punkte, ähnlich wie Schulnoten zwischen eins und sechs. Ein Punkt bedeutet eine perfekte Lösung, bei drei ist die Uhr schon fehlerhaft, so ist vielleicht nur ein Zeiger eingezeichnet, aber die visuell-räumliche Darstellung ist noch in Ordnung. Mit steigender Punktzahl werden die gezeichneten Uhren immer unklarer: Die Zwischenräume zwischen den Ziffern sind ungleichmäßig, die Reihenfolge stimmt nicht, nur wenige Ziffern sind eingetragen, sie stehen außerhalb des Kreises, sind nur noch Kritzeleien. Ab drei Punkten gehen Medizinerinnen und Mediziner von einer relevanten kognitiven Störung, oft im Rahmen einer Demenz aus.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. med. Markus Weih war früher Leiter der Gedächtnisambulanz an der psychiatrischen Klinik und ist heute im Medic Center in Nürnberg tätig. Er sammelte drei bis vier Jahre lang in seiner Praxis 2500 Uhrentest von 1315 Patientinnen und Patienten. Das Ziel von Prof. Andreas Maier vom Lehrstuhl für Mustererkennung der FAU war es, die Auswertung künstlichen neuronalen Netzen beizubringen, um medizinische und psychologische Fachleute in der Praxis zu unterstützen. Prof. Weih scannte Uhren und Testergebnisse ein und schickte die Daten an den Lehrstuhl. Dort wurden die Daten digitalisiert. 

„Sehr gute Ergebnisse“

Im Rahmen seiner Masterarbeit übernahm Harb Alnasser Alabdalrahim die Aufgabe, die tiefen neuronalen Netze der Hochleistungsrechner mit den Uhren zu „füttern“. In kurzer Zeit lernten diese, den Zeichnungen die richtige Diagnose zuzuordnen. „In über 96 Prozent der Fälle ordnen die neuronalen Netzwerke richtig zu, ob es sich um einen nicht-pathologischen oder einen pathologischen Befund handelt“, so Prof. Maier. Und in über 98 Prozent der Fälle sei die zugeordnete Erkrankungsstufe korrekt. „Das sind sehr gute Ergebnisse.“ 

App soll unterstützen

Die Hoffnung der Forschenden ist es, dass künftig eine einfach zu handhabende App medizinisches Personal in der Diagnose von Demenz weltweit unterstützen kann. „Das Personal muss natürlich auch künftig den Uhrentest kennen und standardisiert anwenden“, so Prof. Maier. Anschließend könne es die App nutzen, um damit den Test abzufotografieren und sofort eine Auswertung zu bekommen. Wer sich in der Bewertung eines Tests unsicher sei, erhalte über die App eine Art Zweitmeinung.