Bandscheiben mit Texilien reparieren

Ein Textil-Implantat soll künftig Patienten helfen, die an Bandscheibenvorfällen leiden. Jetzt hat das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Eurostars-Projekt Ar-Tex in Madrid den EUREKA-Innovationspreis erhalten.

Allein in Deutschland erleiden jedes Jahr rund 120.000 Menschen einen Bandscheibenvorfall. Dabei reißt in Folge einer Fehl- oder Überbelastung der Wirbelsäule der äußere Ring der Bandscheibe. Teile des Bandscheibenkerns können austreten und auf die Nerven im Rückenmark drücken, was sehr schmerzhaft ist. Außerdem kann die Bandscheibe nicht mehr als Dämpfungselement wirken. Wenn konservative Behandlungsmethoden wie Bewegung, Entlastung, schmerzstillende Medikamente sowie manuelle und physikalische Therapien nicht mehr helfen, wird häufig operiert. Entweder werden bei einem solchen Eingriff Teile der Bandscheibe entfernt, der betroffene Teil der Wirbelsäule wird versteift oder es wird eine künstliche Bandscheibe eingesetzt.

Warum den Riss in der Bandscheibe nicht von innen verschließen? Diese Idee die spanische Firma NEOS und wandte sich damit bereits 2010 an die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF). Für die Prototypentwicklung erhielt das deutsch-spanische Konsortium finanzielle Unterstützung über das europäische Förderprogramm Eurostars. Es sollte ein Schirm entwickelt werden, der sich im Kern der Bandscheibe aufspannt. Eine äußerst komplexe Aufgabe, denn der Schirm von etwa zehn Quadratzentimetern Größe wird bei der Operation geschlossen in den Wirbelkörper eingeführt, dort befestigt und erst im Körper geöffnet. Die DITF waren aufgrund ihres Know-hows in der Textiltechnik dafür zuständig, die passenden Garne und eine geeignete Webtechnik zu finden. Rund 20 Design-Varianten wurden entwickelt und geprüft, bis sich eine dieser Varianten als geeignet erwies.

Verschluss für die Bandscheibe kurz vor dem Einsatz

Mittlerweile haben die Forscher die Funktionsfähigkeit des Verschlusses in längeren Versuchsreihen bewiesen. Für dieses Jahr ist ein erster Einsatz beim Patienten geplant. 2019 soll das Implantat auf den Markt kommen. Von der ersten Idee bis hin zum fertigen Produkt sind somit nur neun Jahre vergangen.

Der textile Teil des Verschlusses von der ITV Denkendorf Produktservice GmbH, einem Tochterunternehmen der DITF produziert werden.  Maßnahmen, um den Prototypen zur Marktreife zu bringen, werden nach Auslaufen der spanischen und deutschen Förderung im Rahmen von Eurostars durch das KMU-Instrument innerhalb des europäischen Rahmenprogramms für Forschung und Innovation, Horizont 2020, gefördert. Die Eurostars-Förderung bietet kleinen und mittelständischen Unternehmen Unterstützung bei der notwendigen Zusammenarbeit mit Spezialisten in fremden Technologien, die es oft im eigenen Land nicht gibt. So konnte NEOS auf die 40-jährige Erfahrung der DITF bei der Entwicklung textiler Implantate zurückgreifen und dort auch implantierbare Prototypen fertigen lassen. „Wenn die klinische Studie erfolgreich ist, wird der textile Teil des Implantates auch in unserem Tochterunternehmen produziert werden“, sagt Prof. Dr. Michael Doser, Leiter Biomedizintechnik und stellvertretender Vorstand DITF.

Durch das Zusammenspiel von visionärem Konzept, richtigen Partner passender Förderung zur richtigen Zeit könnte bald ein Verfahren zur Verfügung stehen, das nicht nur das Gesundheitssystem entlastet, sondern auch zahlreichen Menschen helfen kann, die an Bandscheibenvorfällen leiden. Das hat auch die Jury für den EUREKA-Innovationspreis überzeugt, die das Projekt als Sieger in der Kategorie „Innovators of tomorrow“ ausgewählt hat und zudem zum besten Projekt aller Preiskategorien gekürt hat.