Bei der Entwicklung personalisierter medizinischer Lösungen spielen neue Technologien heute eine wichtige Rolle. Immer mehr Einrichtungen setzen bei Diagnose und Behandlung ihrer Patienten mittlerweile auf innovative 3D-Scans. Mithilfe der Technik lassen sich Implantate perfekt an die Anatomie des Patienten anpassen und postoperativ überprüfen.
Das Unternehmen Anatomik Modeling hat sich auf die Planung und Entwicklung maßgeschneiderter 3D-Implantate spezialisiert. Es bietet medizinische 3D-Lösungen, die perfekt auf die Anatomie des jeweiligen Patienten abgestimmt sind und Krankheiten wie angeborene Thoraxdeformitäten – also Fehlbildungen des Brustkorbs beziehungsweise der Brustwand – minimalinvasiv behandeln. Das betrifft beispielsweise Deformationen wie die Trichterbrust, bei der Verformungen der Knorpelverbindung zwischen Rippen und Brustbein eine Einsenkung des Brustbeins zur Folge haben. Ein weiteres Beispiel ist das Poland-Syndrom, das durch einen unterentwickelten Brustmuskel auf einer Körperseite gekennzeichnet ist.
Nach Ansicht von Benjamin Moreno, CTO und Mitgründer von Anatomik Modeling, sind personalisierte Therapien und maßgeschneiderte Medizinprodukte die ideale Behandlung für jene Patienten, für die traditionelle Medizinprodukte ungeeignet sind. Individuell angefertigte Produkte können bei komplexen anatomischen Fällen das Mittel der Wahl sein, denn sie erzielen bessere Resultate und verkürzen die Operations- und Heilungsdauer signifikant.
Patienten-Scan für exakte Passform
Benjamin Moreno und sein Team setzen die 3D-Scan-Lösungen von Artec und die Software Geomagic Freeform für das Design perfekt angepasster Brustkorbimplantate ein. Der damit verbundene Prozess läuft derzeit wie folgt ab: Vor der Operation wird der Patient in mehreren Sitzungen gescannt, um die notwendigen Daten über seine Fehlbildung zu sammeln. Die Artec 3D-Scanner erfassen die Oberflächeninformationen, während die innere Struktur des Brustkorbs mittels CT aufgenommen wird.
Um ein patientenspezifisches Implantat konstruieren zu können, werden die Daten aus dem CT-Scan des Patienten direkt in Geomagic Freeform importiert, und zwar in einem Standarddateiformat wie etwa STL oder OBJ. Diese moderne 3D-Software ist für das Design und die Fertigung organischer Formen ideal, insbesondere da sie zusammen mit einem haptischen Gerät verwendet werden kann – einem Tool, das dem Nutzer in einer virtuellen Umgebung den Eindruck vermittelt, als würde er das Objekt tatsächlich formen.
„Wir arbeiten mit Freeform, um das Design der Implantate perfekt an die Anatomie des Patienten anzupassen. Freeform ist die ideale Software dafür, da all unsere Medizinprodukte organische Formen haben. Für die Modellierung setzen wir natürlich das Phantom Haptic Device ein – damit können wir die Medizinprodukte vollkommen frei verändern und formen! Das spart uns eine Menge Zeit, so Moreno.
Im Anschluss an die Konstruktion fertigt Anatomik Modeling mithilfe einer CNC-Maschine einen Prototyp an. Dieser wird anschließend zur Herstellung einer Gussform in Gips gegossen. Um nun das Implantat anzufertigen, wird medizinisches Silikon in die Gipsform gegossen. Diese Methode wird deshalb eingesetzt, weil es noch keine 3D-Drucktechnologie gibt, die Silikonelastomere in medizinisch geeigneter Qualität ausdrucken kann.
OP-Nachbereitung am Rechner
Nach der Anfertigung des maßgeschneiderten 3D-Implantats awird es chirurgisch in die Brust zwischen Brustkorb und Brustmuskeln eingesetzt. Die neue Form des Thorax wird danach mit einem Artec Eva 3D-Scanner aufgenommen. Die in verschiedenen Scan-Sitzungen angefertigten detaillierten prä- und postoperativen 3D-Scans werden nun miteinander abgeglichen; anhand von Distanzkarten wird direkt in der 3D-Scan- und Nachbearbeitungssoftware Artec Studio ein Vergleich durchgeführt. Auf diese Weise erhält man eine klare Vorstellung davon, wie und wohin sich das Körpergewebe voraussichtlich verlagern wird. Anhand der 3D-Modelle können die Experten besser verstehen, wie sich das Weichteilgewebe auf den Implantaten entsprechend der normalen anatomischen Struktur des Brustkorbs selbst neu positioniert.
Vereinfachtes Verfahren
Der aktuelle Workflow ist schnell, effektiv, sicher und einfach. Das war nicht immer so. Bevor Anatomik Modeling die 3D-Scan-Lösungen von Artec implementiert hatte, hat das Unternehmen anderen, konventionelleren Methoden wie Gipsabdrücken oder CT-Scans gearbeitet, um die erforderlichen Analysedaten zu sammeln. Die Erstellung von Gipsabdrücken ist sehr zeitaufwendig, und CT-Scans können nur im Liegen durchgeführt werden – nicht im Stehen. Dabei verschiebt sich das Weichteilgewebe, was die erfassten Daten unpräzise macht.
Pluspunkte für die Patienten
Um schnell, präzise und sicher an 3D-Daten zu gelangen, schaffte sich das Unternehmen zunächst einen Artec MH 3D und einen Artec Eva an. Die portablen Scanner waren die ideale Lösung für die Datenerfassung zur Analyse von Thoraxdeformationen. Später kaufte das Unternehmen noch einen Artec Spider dazu, um die Gesichter und Köpfe der Patienten mit extrahoher Auflösung scannen zu können. Jetzt ist der Scan von Patienten vor und nach der Operation problemlos in stehender Haltung in 3D möglich. Diese Methode soll exakte Ergebnisse gewährleisten. Zwar sind nach wie vor CTs zur Erstellung maßgeschneiderter Implantate notwendig. Die Patienten sind nun einer signifikant niedrigeren Strahlendosis ausgesetzt als früher.
„Im Vergleich zum klassischen Gipsabdruck ist die Aufnahme mit Artec EVA und Spider sehr viel zeitsparender und zuverlässiger – und deshalb auch für den Patienten einfacher. Zudem können dank der anatomischen 3D-Modelle des Patienten Messungen durchgeführt werden, die mit Gipsabdrücken gar nicht möglich wären“, Benjamin Moreno, CTO und Mitbegründer von Anatomik Modeling.
Die Einbindung professioneller 3D-Hard- und Software hat sich als erfolgreich erwiesen und schenkt vielen Menschen eine bessere Lebensqualität. Mit neuen Projekten und kontinuierlichen Weiterentwicklungen bereitet die 3D-Technologie den Weg für die personalisierte Medizin – nicht nur für die Mitarbeiter von Anatomik Modeling, sondern auch für die Angehörigen medizinischer Berufe weltweit.