„Über 12.000 vollständig aufgezeichnete Zyklen“

Bettina Brammer ist Leiterin Marketing und Vertrieb bei VivoSensMedical. (Foto: VivoSensMedical)

Mit dem Ovularing von VivoSensMedical können Frauen ihren Zyklus tracken und individuelle Fruchtbarkeitsmuster erkennen. Doch das smarte Produkt kann noch mehr und könnte künftig einen wichtigen Beitrag zur Frauengesundheit leisten. Mednic sprach mit VivoSensMedical-Vertriebsleiterin Bettina Brammer über das Produkt, dessen Möglichkeiten und das Thema Sicherheit.

mednic.de: Der Ovularing ist ein Produkt, mit dessen Hilfe Frauen ihren Zyklus tracken können. Bitte beschreiben Sie die Lösung. Welchen Nutzen hat sie konkret für Patientinnen?

Bettina Brammer: Ovularing ist ein eine neue Methode, den weiblichen Zyklus vollständig zu vermessen. Das patentierte und CE zugelassene Medizinprodukt besteht aus einem medizinischen Kunststoffring mit integriertem Bisosensor und einer webbasierten Software, die die gemessenen Daten mit Hilfe von medizinischen Algorithmen auswertet. Der der Ring wird vaginal getragen und ist dabei von der Nutzerin nicht spürbar. Im Körper zeichnet er alle fünf Minuten, 288 Mal am Tag die Körperkerntemperatur auf, welche mit den Hormonen im weiblichen Zyklus korreliert.

Jede Frau verfügt über individuelle Fruchtbarkeitsmuster, die wir mit unserer hochauflösenden Messung erkennen können. Damit können wir Aussagen über den Zeitpunkt des Eisprungs und über die fruchtbare Phase treffen, aber auch erkennen, ob hormonelle Zyklusstörungen vorliegen. Die Frau kann Ovularing selbständig zur Optimierung der Empfängnis bei unerfülltem Kinderwunsch aber auch zur Unterstützung der natürlichen, hormonfreien Verhütung verwenden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zyklustrackern am Markt ist Ovularing auch für Frauen mit kurzen, langen oder unregelmäßigen Zyklen geeignet. 

Weitere Lösungen geplant

mednic.de: Welche Möglichkeiten bietet der Ovularing für Ärzte und Wissenschaftler?

Bettina Brammer: Die bisherigen diagnostischen Möglichkeiten in der Gynäkologie mit Ultraschall und Hormonbestimmung im Blut sind Einpunktmessungen, die nur einem Ausschnitt aus dem jeweiligen Zyklus wiedergeben und nicht in der Lage sind, den Zyklus vollständig abzubilden. Individualisierte Diagnostik und personalisierte Therapien sind hier nur schwer möglich. Über die telemedizinische Plattform kann die Patientin ihre Zyklusdaten mit ihrem behandelnden Arzt teilen. Dieser bekommt so die Möglichkeit eine wirklich individualisierte medizinische Zyklusdiagnostik durchzuführen und somit eine personalisierte Therapie einzuleiten. Darüber hinaus kann er mit Ovularing auch telemedizinisch die Therapie überwachen und so eine Erfolgskontrolle durchführen. 

Mit über 12.000 vollständig aufgezeichneten Zyklen verfügen wir aktuell über die weltweit größte Datenbank an kontinuierlich gemessener Körperkerntemperatur. Mit diesen Daten forschen wir weiter im Bereich der Frauengesundheit und möchten hier zukünftig auch Lösungen für die Bereiche Schwangerschaftsgesundheit und Menopause zur Verfügung stellen. Die Körperkerntemperatur ist aber auch in anderen Indikationsbereichen ein wichtiger Biomarker. So können im Bereich Autoimmunerkrankungen wahrscheinlich Krankheitsschübe prognostiziert und im Bereich Chronobiologie wichtige Aussagen über die individuelle innere Uhr und somit etwa über die Verstoffwechselung von Medikamenten getroffen werden. 

Sicherheit entscheidend

mednic.de: Wie wichtig ist das Thema Sicherheit, wenn es um E-Health Lösungen geht, mit deren Hilfe sensible Patientendaten erfasst werden?

Bettina Brammer: Wir halten das Thema für extrem wichtig. Deshalb tun wir auch alles dafür, die Daten unserer Kundinnen zu schützen und die Datenverarbeitung DSGVO-konform zu gestalten. Die Hoheit über die Daten bleibt immer bei der Kundin. Im Gegensatz zu vielen anderen Apps und Zyklustrackern geben wir keine Daten an Dritte weiter, das wird auch in Zukunft so bleiben. 

Für die Weiterentwicklungen von mobilen Gesundheitslösungen ist es aber gleichzeitig notwendig, mit den aufgezeichneten Daten forschen zu können. Dafür muss es aber ganz klare Regeln geben und die Rechte der Kunden dürfen nicht verletzt werden. Wir nutzen die reinen gemessenen Temperaturdaten ohne den Bezug zur Nutzerin ausschließlich anonymisiert zu Forschungszwecken.  

mednic.de: Welche Voraussetzungen müssten erfüllt werden, damit sich diese und ähnliche Lösungen bei Patienten und Ärzten vermehrt durchsetzen?

Bettina Brammer: Um sich als mit einer digitalen Lösung im ersten Gesundheitsmarkt zu etablieren, muss man als Startup viele regulatorische und bürokratische Hürden überwinden und muss nicht zuletzt Ärzte davon überzeugen, auf neue innovative Lösungen zu setzen. Das kostet Zeit und Geld. Beides Dinge, über die Startups zumindest in Deutschland nicht im ausreichenden Maße verfügen. Viele Risikokapitalgeber scheuen den hoch regulierten ersten Gesundheitsmarkt und setzen eher auf Gesundheitslösungen im Lifestylebereich, die in der Regel für die medizinische Versorgung weniger relevant sind. Zwar gibt es immer mehr Risikokapitalgeber, die einen Schwerpunkt auf Digital Health legen, hier aber vornehmlich im Seed Bereich investieren. Unserer Meinung nach gibt es noch zu wenige Möglichkeiten Wachstumskapital für diesen Bereich zu akquirieren. 

Politik gefragt

mednic.de: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Politik?

Bettina Brammer: Die Politik spielt eine wichtige Rolle bei der Überwindung regulatorischer Hürden. Das digitale Versorgungsgesetzt ist hier definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt bleibt es abzuwarten, wie dieses weiterentwickelt und pragmatisch und patientenorientiert umgesetzt wird. Außerdem benötigt es weitere Anstrengungen, um wirklich alle Hürden auszuräumen. Viel zu viele Ärzte setzen nach wie vor auf veraltetet Technologien und Kommunikationswege. Die Vergütung hierfür müsste drastisch reduziert bzw. abgeschafft werden.