Telenotarzt für die präklinische Versorgung

Die Zahl von Notfallereignissen ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. (Foto: Joerg Huettenhoelscher/123rf.com)

In welchen Fällen der Telenotarzt-Einsatz in der präklinischen Versorgung von Patienten mit SHT und Polytrauma sinnvoll ist, war eines der Themen bei der Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin (ANIM). Wegen der Corona-Pandemie fand die gemeinsame Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für NeuroIntensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG) erstmals digital statt. 

Der Einblick in die fernmedizinische Einbindung von Rettungsmitteln in der akutmedizinischen Versorgung von Dr. med. Jan Purrucker aus Heidelberg zeigte einen spannenden Blick in eine vielleicht nicht allzu ferne Zukunft. Der Einsatz eines Telenotarztes (TNA), eventuell auch die präklinische Einbindung eines Telefacharztes kann und soll den Notarzt demnach jedoch nicht ersetzen. Er könnte ihn aber sinnvoll sinnvoll ergänzen.

Telenotarztkonzept im Test

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl von Notfallereignissen deutlich gestiegen. Gleichzeitig gibt es einen Rückgang der arztbesetzten Rettungseinsätze. Aus diesem Grund wurde wurde ein Telenotarztkonzept entwickelt. Es wird zurzeit in einigen Modellregionen in Bayern, um Aachen oder in Mecklenburg-Vorpommern getestet. Ziel ist es, die arztfreie Zeit präklinisch zu verkürzen. So sollen die Patienten auf dem Weg in die Notaufnahme noch besser versorgt werden. Dafür braucht es – verkürzt gesagt – nicht mehr als eine drehbare Kamera im RTW und einen mit mehreren Bildschirmen ausgestatteten Arbeitsplatz. Von dort aus kann der Telenotarzt auf diverse Daten zugleich digital zugreifen, Patientendaten integrieren, nebenher Guidelines oder Algorhithmen recherchieren.

Aber ist der Arzt am fernen Bildschirm wirklich der Richtige für SHT und Polytrauma? Purrucker erläuterte die Vorteile dieses Konzepts. Dazu zählt zum Beispiel die hohe Verfügbarkeit von Fachärzten auch parallel, dezentral und überregional. So wäre es künftig denkbar, dass ein Notfall in Flensburg eines Tages von einem TNA Provider in Freiburg behandelt wird. Auch mit der größeren Übersicht aus der Ferne oder präzisen Kenntnissen innerklinischer Abläufe punktet der Telenotarzt. Andererseits würden unter Umständen Manpower, diagnostische Skills und Notfalltechniken am Einsatzort fehlen, wenn der Notarzt nicht mit vor Ort ist. 

Telenotarzt als gute Ergänzung

Trotzdem gibt es nach Einschätzung von Purrucker viele Vorteile: So könne der Telenotarzt Zeit überbrücken, wenn der Notarzt nicht zeitgleich mit dem RTW eintrifft. Auch konsiliarisch könne der TNA den Kollegen vor Ort unterstützen. So könne die Verfügbarkeit der „Ressource Notarzt“ erhöht werden – bei jenen Einsätzen, bei denen er auch wirklich gebraucht wird. 

Rettungsteam und Telenotarzt rücken zusammen

Purrucker weist jedoch eindringlich darauf hin, dass sich NEF/NAW-Standorte auf diese Weise nicht reduzieren lassen. Wenn überhaupt, dann funktioniere das nur vereinzelt in urbanen Regionen mit kurzen Wegen, wenn ein Telenotarztkonzept flächendeckend implementiert wurde. Keinesfalls aber im ländlichen Raum, wo so nur längere Anfahrtswege entstehen würden.

Ein weiter Weg zum TNA-Konzept scheint es nicht zu sein: „Schon heute sind wir mit Tablets und Smartphones überhaupt nicht mehr auf fest installierte Kameras angewiesen, senden und empfangen Daten, Fotos und bald hoffentlich auch Videos vom Rettungsteam in die Klinik“, schildert Purrucker Erfahrungen mit Telemedizin am Uniklinikum Heidelberg. Technische Innovationen werden diesen Austausch begünstigen. Er ist davon überzeugt, dass die Datenbrille Rettungsteam und Telenotarzt weiter zusammenrücken lassen wird.