Eine Software soll künftig dabei helfen, den Schweregrad eines Schlaganfalls anhand der CT-Bildgebung abzuschätzen. Dadurch sollen Patienten ermittelt werden, die von einer Katheter-Behandlung nicht mehr profitieren. Der Computer könnte die Erfolgschancen der Therapie sogar objektiver einschätzen als menschliche Experten.
Die Therapie von Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall, der auf den Verschluss eines großen Blutgefäßes zurückgeht, hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Früher wurde auch bei solchen Patienten eine intravenöse Lysetherapie durchgeführt, mit der die Blutgerinnsel im Gehirn aufgelöst werden sollen. Heute steht mit der Katheter-Behandlung, auch Thrombektomie genannt, eine Alternative zur Verfügung. In großen Studien hat sich gezeigt, dass diese minimalinvasive, endovaskuläre Therapie klare Vorteile gegenüber einer ausschließlichen Lysetherapie hat.
„Diese Studien haben dazu geführt, dass die Thrombektomie mittlerweile bei sehr vielen Patienten eingesetzt wird, obwohl nicht immer klar ist, dass jeder einzelne Patient wirklich davon profitiert“, sagt PD Dr. Christian Herweh vom Universitätsklinikum Heidelberg. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil die Thrombektomie überwiegend an größeren Zentren durchgeführt wird. Die Patienten müssen teilweise eigens dorthin transportiert werden – eine unnötige Belastung für diejenigen, die von dem Eingriff nicht mehr profitieren können.
Fehleranfällige Schlaganfall-Schweregrad-Einschätzung
In den großen klinischen Studien erhielten Patienten eine Thrombektomie, deren Schlaganfall in der CT-Untersuchung einen gewissen Schweregrad nicht überschritten hatte. Dieser Schweregrad wird üblicherweise anhand eines Scores ermittelt, der „Alberta Stroke Programme Early CT Score“, kurz ASPECTS. Er durfte in den meisten erfolgreichen Studien (etwa ESCAPE und SWIFT-PRIME, REVASCAT) nicht schlechter als sechs oder sieben Punkte sein. Der Maximalwert beträgt zehn Punkte.
Die Bestimmung des ASPECTS ist Standard bei Patienten, die wegen eines frischen Schlaganfalls eine CT-Untersuchung erhalten. „Die manuelle Ermittlung dieses Scores erfordert aber ein hohes Maß an Erfahrung und ist anfällig für Fehleinschätzungen“, so Herweh. Er ist von den Vorzügen einer softwarebasierten Ermittlung des ASPECTS überzeugt: „Sie ist objektiver und kann die Prognose der Patienten möglicherweise besser abschätzen als Radiologen dies können.“
Computer auf Augenhöhe mit Experten
Mit eASPECTS von Brainomix gibt es seit einiger Zeit eine Software, die den Schweregrad eines Schlaganfalls Computer-gestützt ermitteln kann. In einer ersten Validierungsstudie mit 34 Patienten konnte gezeigt werden, dass die softwarebasierte Auswertung der CT-Bilder der Auswertung durch Radiologen mit wenig Training überlegen und der durch Experten gleichwertig ist. Eine weitere Studie aus Großbritannien hat bei 132 Patienten bestätigt, dass die Software im Vergleich zu Neuroradiologen nicht unterlegen ist. Dr. Herweh berichtet über die aktuellsten Daten beim 98. Deutschen Röntgenkongress / 8. Gemeinsamen Kongress der DRG und ÖRG (24.-27. Mai 2017, Leipzig).
Ob die Software besser als oder zumindest genauso gut wie Experten vorhersagen kann, welche Patienten einen schlechten klinischen Verlauf haben, wollten Herweh und seine Kollegen wissen. Dazu wurde eine dritte Studie durchgeführt. Bei 212 Patienten mit frischem Schlaganfall wurde rückblickend der ASPECTS durch drei Experten und durch die Software ermittelt. Das Ergebnis wurde dann mit dem tatsächlichen klinischen Verlauf der Patienten korreliert.
„Was wir zeigen konnten ist, dass die Software einen schlechten Verlauf nach Thrombektomie zuverlässig vorhersagt“, betont Herweh. Ein niedriger eASPECTS stand dabei in einem statistisch signifikanten Zusammenhang mit einem schlechten Verlauf. Bei den Experten hingegen war dieser Zusammenhang nur in einem von drei Fällen statistisch signifikant. Das softwarebasierte Scoring könnte also tatsächlich objektiver und klinisch aussagekräftiger sein als das manuelle Scoring durch Experten. „Natürlich wird die Software nie alleine über das klinische Vorgehen entscheiden“, so Herweh. Sie könne aber bei Patienten, bei denen der ASPECTS aufgrund deutlicher Frühzeichen im CT im Grenzbereich liege, eine wertvolle Orientierungshilfe geben für die Therapieentscheidung geben.