Jeder achte neu in eine Klinik eingewiesene Patient trägt bereits sogenannte ESBL-Keime in sich. Das zeigen die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie an 1.334 Patienten, die Wissenschaftler des InfectoGnostics Forschungscampus Jena durchgeführt haben. Demnach sind Infektionen mit den eigenen ESBL-Erregern zwar äußerst selten. Die Forscher konnten jedoch nachweisen, dass die Erreger in der Lage sind, ihre Resistenzgene an andere Bakterienstämme in der Klinik weiterzugeben.
Neben den InfectoGnostics-Wissenschaftler des Uniklinikums Jena waren das Unternehmen Abbott sowie das Leibniz-Institut für Photonische Technologien an der Studie beteiligt. Bei den ESBL (Extended-Spectrum-Betalaktamasen) handelt es sich um Enzyme, die für Bakterien wie eine Lebensversicherung wirken. Ist das Bakterium einmal in der Lage, ein solches Enzym zu bilden, kann es sich erfolgreich gegen zahlreiche Antibiotika zur Wehr setzen, die in Kliniken und auch beim Hausarzt zum Einsatz kommen. Als Folge davon müssen Ärzte müssen schon seit einigen Jahren immer häufiger zu Reserve-Antibiotika greifen, um Infekte in den Griff zu bekommen. Dieser Kreislauf führt dazu, dass viele Antibiotika bereits wirkungslos sind.
Bei gesunden Menschen ungefährlich
ESBL-bildende Bakterien breiten sich nicht hauptsächlich in Krankenhäusern aus, sondern sie kolonisieren über die Nahrungsaufnahme vorwiegend den gesunden Darm. Das ist ungefährlich, solange die Betroffenen gesund sind. Bei schweren Operationen oder bei Immunschwäche können die Keime jedoch zu Infektionen führen. Für ihre Studie haben die Wissenschaftler Kolonisierungsrate bei Patienten untersucht, die neu ins Krankenhaus eingewiesen werden. Darüber hinaus wurde ausgewertet, ob sie durch den Klinikaufenthalt steigt. Darüber hinaus analysierten die Forscher, welche Faktoren die Kolonisierung mit dem Erreger bedingen.
Jeder vierte Patient aus einem Pflegeheim bringt Keime
Für die Studie wurden die Patienten auf ESBL-bildende Darmkeime getestet: zunächst bei der Aufnahme in der Klinik, dann nach Abschluss der Behandlung und – falls möglich – auch nochmal sechs Monate nach dem Klinikaufenthalt. Die Ergebnisse: Bei jedem achten getesteten Patienten (12,7 Prozent) konnte bei der Aufnahme in die Klinik ein ESBL-Keim nachgewiesen werden. Bei Patienten aus Altenpflegeheimen trägt fast jeder vierte Patient (23,8 Prozent) bereits die multiresistenten Keime in sich. Trotz dieser hohen Kolonisierungsrate mit ESBL-Erregern infizierte sich lediglich ein einziger Patient mit dem eigenen Erreger.
Gefahr durch Transfer von Resistenzgenen auf andere Bakterienstämme
Die geringe Zahl an Infektionen in der Klinik sei allerdings noch kein Grund zur Entwarnung, wie Mitstudienautorin Dr. Oliwia Makarewicz vom Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene des Uniklinikums Jena erläutert: „Einerseits ist die Anzahl der tatsächlichen Infektionen in Abteilungen wie der Onkologie, Geriatrie oder der Intensivstation ungleich höher, da dort hauptsächlich Risikopatienten mit geschwächtem Immunsystem behandelt werden. Andererseits konnten wir in unseren Analysen erneut zeigen, dass die Erbinformationen für Multiresistenzen über Plasmide auch auf andere Bakterienarten im Darm übertragen werden – neue multiresistente Erreger können somit sehr schnell entstehen.“ Man müsse davon ausgehen, dass solche Kolonisierungskeime die Resistenzen an Krankenhauskeime weitergeben könnten. Die Rolle dieser kleinen DNA-Stränge bei der Weitergabe von Resistenzen wird im klinischen Alltag nach Einschätzung der Expertin bislang noch viel zu wenig beachtet.