Mit smarter Versorgung gegen Schwindel

Untersuchung bei einer Patientin mit Schwindelsymptomen. (Foto: LMU Klinikum)

In Deutschland zählt Schwindel zu den häufigsten Beschwerden, die zu einem Arztbesuch führen. Lange Krankschreibungen und sogar Arbeitsunfähigkeit sind in 40 Prozent der Fälle die Folgen. Schwindelpatienten mit Hilfe eines multimodalen Konzepts besser zu versorgen, ist daher das Ziel des Projekts PoiSe am LMU Klinikum, das nun vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) mit rund 4,5 Millionen Euro gefördert wird.

Mit dem Symptom Schwindel beschäftigen sich Hausärzte ebenso wie HNO-Ärzte, Neurologen, Internisten sowie Orthopäden und Psychiater. Die große Bandbreite an möglichen Ursachen verunsichert sowohl Ärzte als auch die betroffenen Patienten. Die Folge sind unnötige, belastende und kostspielige Diagnostikmaßnahme. Dazu zählen beispielsweise MRT und CT des Schädels und der Halswirbelsäule oder spezielle Funktionsaufnahmen der Halswirbelsäule, vielfache Facharztkonsultationen und unwirksame Therapieversuche. Eine unzureichende Diagnosesicherheit führt zudem zu verlängerter Behandlungsdauer, häufigem Arztwechsel und Chronifizierung der Beschwerden oder sogar zum Übergang in eine Somatisierungsstörung. 

Den Teufelskreis durchbrechen

Eine routinemäßige, fallbezogene Interaktion von Haus- und Fachärzten sowie Experten in der Klinik könnte diesen Teufelskreis durchbrechen, ist jedoch in der Regelversorgung so nicht vorgesehen ist. Hier setzt das Projekt an. Ein automatisiertes digitales Diagnosesystem, Fortbildungsmodule und ein Expertennetzwerk sollen die behandelnden Haus- und Fachärzte bei der Entscheidungsfindung und der Versorgung der Schwindelpatienten unterstützen. Dazu kommt unter anderem ein videobasiertes Analysesystem zum Einsatz. Es nutzt automatisierte Mustererkennungsverfahren, um Augenbewegungen, Gang und Stand zu analysieren und einem Krankheitsbild zuzuordnen.

Der Patient erhält außerdem eine auf sein individuelles Krankheitsbild zugeschnittene App. Sie liefert personalisierte Informationen und Therapievorschläge. Ein KI-basierter intelligenter Algorithmus überwacht zudem den Symptomverlauf und alarmiert bei unerwarteten Entwicklungen den Patienten und den behandelnden Arzt. 

Sektorenübergreifende Versorgung von Patienten

Das dezentrale Expertennetzwerk soll die behandelnden Haus- und Fachärzte auch in ländlichen Gebieten flächendeckend unterstützen. Während der Projektlaufzeit erfolgt die Kontrolle der Diagnose und Therapie über das Deutsche Schwindel- und Gleichgewichtszentrum (DSGZ) des LMU Klinikums. Mithilfe des Projekts soll dieRegelversorgung von Schwindelpatienten nachhaltig verbessert werden. Ziel ist es außerdem, eine sektorenübergreifende Versorgung von Schwindelpatienten zu schaffen und das Gesundheitssystem insgesamt zu entlasten. An dem Projekt teilnehmen AOK-versicherte Patienten über einen im Projekt eingeschriebenen Arzt.

Ablauf des Projekts (Grafik: LMU Klinikum)

Auch für andere Erkrankungen denkbar

Das Programm wird zunächst in Bayern erprobt. Später soll es als Muster für eine Ausweitung auf weitere Regionen, andere Erkrankungen und Patientengruppen dienen. Hierbei stehen vor allem Patienten im Fokus, bei denen eine enge und kurzfristige Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachrichtungen erforderlich ist.