Mit Augmented Reality gegen Tumore

Bösartige Tumore bilden häufig Metastasen, die sich über das Lymphknotensystem im gesamten Körper ausbreiten. Für Ärzte ist es oft schwierig, die genaue Lage derartiger Knoten zu bestimmen, um sie anschließend komplett entfernen zu können. Derartige Eingriffe erleichtern soll künftig eine Navigationshilfe des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD: 3D-ARILE ist ein Augmented-Reality(AR)-System, das die exakte Position des Lymphknotens über eine Datenbrille virtuell einblendet. Bei dem Projekt kooperieren die Darmstädter Wissenschaftler mit der Dermatologie der Universitätsklinik Essen und der Trivisio Prototyping GmbH.

Das Augmented-Reality-System kombiniert Hard- und Software. Die Hardware wurde von Trivisio Prototyping entwickelt. Neben der speziell für den medizinischen Einsatz konstruierten Datenbrille mit integrierter Kamera und zwei Displays besteht sie aus zwei Infrarot- sowie zwei visuelle Kameras. Diese vier Optiken sind in einem Würfel untergebracht, der sich während der Operation über dem Patienten befindet. Für die Entwicklung der Software waren die Forscher vom Fraunhofer IGD verantwortlich: Sie umfasst unter anderem eine Bildverarbeitung. Das System ermittelt die fluoreszierenden Lymphknoten, berechnet daraus deren 3D-Position und blendet sie in der Datenbrille ein. Die dafür notwendige Kalibrierung des Hardwaresystems wird ebenfalls mithilfe der Software durchgeführt. Die komplette Hardware lässt sich über 3D-ARILE steuern. Zudem umfasst das System das User-Interface für den operierenden Arzt.

Augmented Reality für exakte Position

Das Augmented-Reality-System in Form einer Datenbrille unterstützt Ärzte durch Markierungen beim Lokalisieren der Lymphknoten. Das Besondere: Die AR-Brille funktioniert in Kombination mit einer leistungsstarken Software zur medizinischen Navigation, mit einem Stereosystem aus Nahinfrarotkameras (NIR) und dem Fluoreszenzfarbstoff Indocyaningrün (ICG). „Um den betroffenen Lymphknoten sichtbar zu machen, wird dem Patienten ein Fluoreszenzfarbstoff in die direkte Umgebung des Tumors gespritzt, der sich über die Lymphbahnen verteilt und im Wächterlymphknoten sammelt“, sagt Dr. Stefan Wesarg, Wissenschaftler am Fraunhofer IGD. Infrarotlicht regt den Farbstoff zur Fluoreszenz an. Dazu werden Infrarot-LEDs eingesetzt. Die NIR-Kameras erfassen die Fluoreszenz und rekonstruieren den betroffenen Lymphknoten in 3D. Dessen Position wird dem Arzt ortsgenau und in Echtzeit in der Datenbrille eingeblendet. Die dafür erforderliche Software ist eine Entwicklung der Fraunhofer-Forscher. „In unserem Fall ist das erkrankte Gewebe grün dargestellt. Der Arzt kann durch die Einfärbung feststellen, ob er tatsächlich alles Nötige herausgeschnitten hat“, so Wesarg.

Schonendes Verfahren

Als medizinischer Tracer kommt bislang das radioaktive Nanokolloid Technetium 99m zum Einsatz. ICG soll diese schädliche Markierungssubstanz ersetzen. Dadurch sollen Patienten wesentlich schonender behandelt werden können. Eine entscheidende Rolle spielt auch der Zeitfaktor, denn beim Einsatz des radioaktiven Markers strahlt der Lymphknoten nur schwach. Daher waren bislang Aufnahmen mit sogenannten Szintillationskameras erforderlich, die etwa 30 Minuten dauerten, um die exakte Lage des Lymphknotens zu erfassen. Die Datenbrille hingegen blendet den befallenen Knoten sofort ein. Der Operateur muss also nicht auf einen zusätzlichen Monitor schauen und die Darstellung am Bildschirm mit dem Kamerabild abgleichen. „Der Arzt kann sich ganz auf den Patienten konzentrieren und so stressfreier operieren“, ist Wesarg überzeugt.

Ein weiterer Vorteil: Die AR-Brille ist sehr leicht und zeichnet sich durch einen hohen Tragekomfort aus, wie die Ärzte der Dermatologie der Universitätsklinik Essen nach zahlreichen Tests bestätigten. Um die Navigationshilfe optimal an die Bedürfnisse des Operateurs anzupassen, haben die Partner bei der Entwicklung eng zusammengearbeitet. Das zum Patent angemeldete System soll von der Arvyss GmbH auf den Markt gebracht werden.