Krankenhäuser: Fachkräftemangel gefährdet Versorgung

Die wachsende Personalknappheit könnte schon bald die Versorgung in deutschen Krankenhäusern gefährden und zu einer Rationierung von Leistungen führen. Innovationen im Bereich der Digitalisierung und Robotik könnten dabei helfen, das zu verhindern. Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt die vierzehnte Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“, der im Rahmen des „Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit“ in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der Report wurde gemeinsam vom RWI und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit Deloitte erstellt.

Durch den demografischen Wandel wird in den nächsten Jahren die Zahl der Patienten und pflegebedürftigen Menschen weiter steigen. Damit der Status quo gehalten werden kann, werden bis 2025 voraussichtlich zusätzlich 80.000 Vollkräfte in den medizinischen Diensten der Krankenhäuser und weitere 80.000 Pflegefachkräfte in der Altenpflege benötigt. Gleichzeitig wird jedoch die Zahl der Menschen in Deutschland zwischen 20 und 65 Jahren kontinuierlich sinken, im Zeitraum von 2015 bis 2025 um vier Prozent. Das wird den Engpass an Fachkräften verstärken. Denn es wird laut dem Report äußerst schwierig werden, den Personalbestand weiterhin in ausreichendem Maße mit der Leistungsmenge anheben zu können.

Mit Digitalisierung gegen den Fachkräftemangel

„Arbeitssparende technische Innovationen werden immer wichtiger, um Ärzte und Pflegekräfte zu entlasten“, sagt Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des RWI-Kompetenzbereichs „Gesundheit“. Darunter fallen seiner Einschätzung nach beispielsweise Innovationen aus den Bereichen Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Robotikassistenz, Sensorik, Ambient Assisted Living und Telemedizin. „Der derzeitige Digitalisierungsgrad deutscher Krankenhäuser ist dabei noch äußerst bescheiden“, mahnt Augurzky.

Um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken muss mehr Nachwuchs für den Beruf gewonnen, die Anzahl der Berufsrückkehrer erhöht, die Wochenarbeitszeit von Teilzeitkräften ausgeweitet und qualifizierte Zuwanderung forciert werden. Damit das gelingt, sind vielfältige Maßnahmen erforderlich. Es gilt, die Attraktivität der Ausbildung und generell der Gesundheitsberufe zu steigern. Darüber hinaus müssen interessante Karrierewege für Pflegeberufe sowie neue Berufsbilder geschaffen und die gegenwärtigen starren hierarchischen Strukturen aufgebrochen und bürokratische Tätigkeiten abgebaut werden. Auch ein Zuwanderungsgesetz sollte erarbeitet werden, um die Zuwanderung von Fachkräften zu erleichtern.

Die zunehmende Knappheit an qualifizierten Fachkräften wird nach Einschätzung der Studienautoren außerdem zwangsläufig zu einem höheren Lohnniveau führen. Ferner gilt es, die Ambulantisierung der Medizin über Anpassungen am Vergütungssystem zu unterstützen, um auf diese Weise mehr Zeit für die Betreuung stationärer Patienten zu gewinnen.

Zwar sieht die aktuelle Regierungskoalition einige Maßnahmen vor, die geeignet sind, dieses Bemühen zu unterstützen. Andererseits beabsichtigt sie, durch regulierende Maßnahmen im Bereich der Pflege die Personalknappheit sogar noch zu verschärfen, beispielsweise durch die Einführung von Personaluntergrenzen in Krankenhäusern. Probleme in der Pflege können aber nicht durch noch mehr Regulierung gelöst werden, so die Wissenschaftler. Sie raten dazu, stattdessen die Pflegequalität der Krankenhäuser für die Patienten transparent zu machen und damit die Bedeutung der Pflege im Krankenhaus aufzuwerten.

Es besteht Handlungsbedarf

In einer so genannten Gesundheitsagenda 2025 zeigen die Studienautoren den Handlungsbedarf für die Politik auf. Erstens muss die Politik dringend Antworten auf den zu erwartenden weiterwachsenden Fachkräftemangel liefern. Zweitens sollte das Gesundheitswesen in das digitale Zeitalter überführt werden, unter anderem durch eine standardisierte elektronische Patientenakte, Telemedizin, künstliche Intelligenz und Robotik. Dabei könnte zum Beispiel Robotikassistenz Pflegekräften mehr Zeit für die menschliche Zuwendung ermöglichen.

Außerdem sollte das Gesundheitswesen durch eine Reform des Gemeinsamen Bundesausschusses offener für Innovationen werden. Viertens sollte die Lücke bei den Investitionsfördermitteln im Krankenhausbereich geschlossen werden, um auf schwierigere Zeiten in den 2020er Jahre vorbereitet zu sein. Fünftens raten die Studienautoren dazu, zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit die Notfallversorgung neu auszurichten, wozu eine effektive Patientensteuerung gehört. Sechstens sollte die Qualitätstransparenz – auch und gerade sektorenübergreifend – konsequent weiter ausgebaut und für die Patienten zum Beispiel über digitale Angebote nutzbar gemacht werden. Siebtens empfehlen die Autoren der Studie, die sektorenübergreifende Versorgung und die Ambulantisierung der Medizin zu fördern. Dazu seien Adjustierungen am Vergütungssystem erforderlich. Ratsam sind laut Studie Vergütungsmodelle mit Qualitätszielen, welche die Gesamtverantwortung für die Versorgung einer Region in eine Hand legen. Dadurch könnte eine sektorenübergreifende Versorgung etabliert werden, die konsequent am Patientennutzen ausgerichtet ist.

Leichte Verbesserung

Generell hat sich die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser laut der Studie im Jahr 2016 leicht verbessert. Nur sieben Prozent lagen mit erhöhter Insolvenzgefahr im „roten Bereich“, 84 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen noch neun Prozent im „roten Bereich“ und 79 Prozent im „grünen Bereich“.  Auch die Ertragslage war 2016 gut und nur 13 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust. Das durchschnittliche Jahresergebnis stieg auf 2,8 Prozent der Erlöse, nach 1,8 Prozent im Jahr 2015. Im Jahr 2016 waren zudem 67 Prozent der Kliniken voll investitionsfähig. Trotz guter Ertragslage bleibt die Kapitalausstattung der Krankenhäuser aber weiterhin unzureichend. Ihr jährlicher Investitionsbedarf (ohne Universitätskliniken) beläuft sich auf rund 5,8 Milliarden Euro. Dem stehen Fördermittel der Bundesländer in Höhe von 2,8 Milliarden Euro gegenüber, die jährliche Förderlücke beträgt also drei Milliarden Euro. In den ostdeutschen Bundesländern war die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser auch im Jahr 2016 wieder am besten. Am schwierigsten war sie in Niedersachsen/Bremen, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg.