KI verbessert Behandlungsmanagement bei Lungenkrebs

mednic-Gastautor Olivier Humbert
Olivier Humbert, Doktor und Professor für Nuklearmedizin und Biophysik an der Côte d’Azur Universität, mit einem Lehrstuhl für Forschung und Lehre, verfasste diesen Gastbeitrag (Foto: Olivier Humbert)

In seinem mednic-Gastbeitrag erläutert der Professor für Nuklearmedizin und Biophysik Olivier Humbert, wie mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz tausende Datenelemente von Patientenbildern genau analysiert werden und sich so das Behandlungsmanagement verbessern kann.

Dieser Beitrag wurde anlässlich des SophI.A Summit 2021 (17.-19. November 2021) an der Université Côte d’Azur verfasst, an dem namhafte Experten für KI teilnehmen. Seit drei Jahren präsentieren hier internationale Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft ihre Forschungsergebnisse und teilen ihre Erkenntnisse über die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, sowie die aktuellen und zukünftigen Auswirkungen der Technologie.

Lungenkrebs: Wie Ärzte Künstliche Intelligenz nutzen können, um das Behandlungsmanagement zu verbessern

Krebserkrankungen sind die zweithäufigste Todesursache in Deutschland: 2017 erhielten 4.65 Millionen Menschen eine Krebsdiagnose. Lungenkrebs ist die dritthäufigste Krebsart in Deutschland; mit 56 839 neu diagnostizierten Fällen in 2017.

Jüngste therapeutische Innovationen haben die Lebenserwartung und Lebensqualität von Krebspatienten, die sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung befinden, erhöht. Durch eine vermehrt personalisierte Onkologie können jedoch weitere Fortschritte erzielt werden; die Individualisierung der therapeutischen Strategie entsprechend den biologischen Merkmalen der Krankheit des Patienten kann die Wirksamkeit der Behandlung verbessern und Nebenwirkungen verringern. Technologie und insbesondere künstliche Intelligenz können eine wertvolle Rolle bei der Versorgung von Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs spielen.

Immuntherapie – eine bewährte Behandlung mit Grenzen

Die Immuntherapie ist ein therapeutisches Instrument, das durch die Reaktivierung des Immunsystems des Patienten wirkt, anstatt Krebszellen direkt anzugreifen. Sie stimuliert die Lymphozyten (Immunzellen) des Patienten, um deren Fähigkeit, Krebszellen zu erkennen und zu zerstören, wieder herzustellen. Diese Behandlung hat sehr gute Ergebnisse erzielt – auch bei der Behandlung von metastasiertem Lungenkrebs. Allerdings reagieren nicht alle Patienten wie gewünscht. Manchmal findet der Krebs eine Hintertür, und verhindert dadurch Empfänglichkeit des Patienten für eine Immuntherapie. Außerdem kann die Behandlung entzündliche Nebenwirkungen verursachen.

Woher wissen wir also, ob eine Immuntherapie bei der Bekämpfung der Krankheit eine wirksamere Behandlung ist als eine Chemotherapie? In den nächsten Jahren ist eines der Hauptziele im Kampf gegen Krebs, vorherzusagen, welcher Patient auf eine Immuntherapie vorteilhaft reagieren wird. Dadurch können Ärzte gezielt Patienten ansprechen, denen die Behandlung angeboten werden sollte.

Dank künstlicher Intelligenz ist dieses Ziel erreichbar geworden. 

Vorhersehbare Heilungschancen: Technologie im Dienst für Ärzte

Künstliche Intelligenz basiert auf Deep und Machine Learning. Genauer gesagt beruht die Technologie auf der Sammlung und Analyse großer Datenmengen, um Vorhersagen zu treffen. Dies geschieht mit einer Schnelligkeit, die menschlich nicht möglich ist.

Bei Krebs wird der Krankheitsverlauf über eine PET-Untersuchung überwacht. Als Maßstab in der Onkologie ermöglicht PET die Aktivitätsmessung von Tumorzellen durch die intravenöse Injektion einer schwach radioaktiven Substanz – meist an Traubenzucker gekoppeltes Fluor. Während der Untersuchung werden mehrere Bilder macht, u.a. von der Anatomie des Patienten, der Morphologie seiner Organe, und natürlich vom Tumorgewebe. Diese Untersuchung ermöglicht es daher, große Mengen digitaler Daten über den Patienten und seine Krankheit zu sammeln, die größtenteils in der Tiefe der Bilder verborgen sind und vom menschlichen Auge nicht analysiert werden können.

Das Institut 3IA hat im französischen Technologiepark Sophia Antipolis ein Forschungsprojekt gestartet bei dem künstliche Intelligenz angewendet wird, um PET-Untersuchungsergebnissen von Lungenkrebspatienten, die mit einer Immuntherapie behandelt wurden zu analysieren. Mithilfe eines Algorithmus werden zu Beginn der Behandlung, und danach in zweimonatlichen Abständen, tausende von sich im Patientenbild befindlichen Datenelementen genau analysiert – in 3D sowohl auch aus morphologischer und biologischer Sicht.

Nach einer anfänglichen Lernphase kann der Algorithmus damit beginnen, Merkmale des Bildes zu identifizieren, die eine Reaktion auf die Immuntherapie aufzeigen. So wird ein Modell erstellt, das dann in der Lage ist, vorherzusagen, ob die Behandlung für einen bestimmten Patienten wirksam ist oder nicht. Je mehr der Algorithmus an einer großen Anzahl von Patienten und PET-Scanbildern trainiert wird, desto mehr lernt er, was letztendlich zu einer besseren Performanz führt.

Langfristig gesehen soll, in Theorie, das Bild eines Patienten mit dem Algorithmus analysiert werden, bevor eine Behandlung entschieden wird. Dadurch wird für jeden Patienten eine wahrscheinliche Erfolgs- oder Misserfolgsrate für die Immuntherapie ersichtlich die es Ärzten ermöglicht die Therapiestrategie auf den Patienten zuzuschneiden. Künstliche Intelligenz wird so zu einem Werkzeug, das Ärzte in ihrem Entscheidungsprozess unterstützt und somit eine echte Chance zur Verbesserung von Krebserkrankungen darstellt.

Aber um dieses Werkzeug zu beherrschen, müssen Mediziner die Möglichkeiten und Grenzen von KI verstehen. Aus diesem Grund werden Ausbildungsprogramme wie der französische Postgraduierten-Studiengang Diplome Universitaire IA et Santé für Absolventen entwickelt, um Ärzte bei diesem Lernprozess zu unterstützen.

Seien sie ein Teil der Medizin von morgen

Diese neue Art der medizinischen Praxis ermöglicht es, Silos, die zwischen Mathematikern, Ärzten und kommerziellen Gesundheitsorganisationen gegebenenfalls bestehen, aufzulösen. Außerdem wird die Zusammenarbeit gefördert, um Algorithmen und andere innovative KI-Lösungen für Patienten zu definieren.

Nur durch multidisziplinäre Kooperationen wie diese können Forscher und Mediziner zusammenkommen, um die Medizin von morgen zu entwickeln.