Eine aktuelle Studie zeigt: In Europa haben sich die Investitionen privater Investoren im Gesundheitsbereich innerhalb eines Jahres verdreifacht. In Deutschland fanden 2017 zwei der weltgrößten Übernahmen im Gesundheitssektor unter Beteiligung von Private-Equity-Investoren statt.
In der siebten Auflage ihrer fortlaufenden Untersuchung „Global Healthcare Private Equity and Corporate M&A Report“ verdeutlicht die US-amerikanische Managementberatung Bain & Company, dass der Gesundheitsbereich für private Kapitalanleger immer attraktiver wird.
So ist im Jahr 2017 gut jeder zehnte Euro europäischer Buy-out-Fonds in den Gesundheitssektor geflossen. In absoluten Zahlen stieg der Bain-Untersuchung zufolge das Transaktionsvolumen der Private-Equity-(PE-) Anbieter in Europa auf 12,8 Milliarden US-Dollar, im Vorjahr waren es 4,6 Milliarden. Weltweit investierten PE-Fonds 42,6 Milliarden US-Dollar in den Gesundheitssektor – der höchste Wert seit 2007.
Konjunkturunabhängiges Gesundheitsgeschäft
Das starke Engagement der PE-Fonds im Gesundheitsbereich überrascht den Co-Autor der Studie Dr. Franz-Robert Klingan nicht: „Das Gesundheitswesen ist konjunkturunabhängiger als die meisten anderen Branchen, der Trend in Europa ist eindeutig positiv. Viele PE-Fonds wollen die Wachstumschancen in der Gesundheitsbranche nutzen, die sich aus der Demografie, dem anhaltenden Kostendruck und der eingesetzten Konsolidierung ergeben. Und in Zeiten, in denen die Sorge vor einer Rezession umgeht, sind Investitionen im Gesundheitssektor attraktiv.“
Hoher Altersdurchschnitt in Deutschland
Deutschland spielt in den Überlegungen der PE-Fonds eine wichtige Rolle, zumal das Durchschnittsalter hier mit 45,8 Jahren höher ist als in allen anderen EU-Staaten. Die Übernahme des Düsseldorfer Senioren- und Pflegeheimbetreibers Alloheim für 1,3 Milliarden US-Dollar zählte 2017 zu den zehn größten PE-Transaktionen weltweit. Ebenfalls in der Top-10-Liste zu finden ist der vier Milliarden US-Dollar schwere Kauf von Anteilen des Arzneimittelherstellers Stada durch zwei PE-Fonds.
Mehr Public-to-Private-Transaktionen erwartet
Die harte Konkurrenz durch kaufwillige Konzerne, die zunehmend auch kleinere Akquisitionen tätigen, um führende Positionen in relevanten Kategorien zu erreichen, ist für die PE-Branche derzeit eine entscheidende Herausforderung. Allein deshalb erwarten die Analysten von Bain eine weitere Zunahme von Public-to-Private-Transaktionen, analog der Stada-Übernahme. Zudem ergeben sich Möglichkeiten, Unternehmensteile oder Tochtergesellschaften nicht-strategischer Konzernteile zu erwerben (Carve-outs) sowie von der laufenden Konzentrationsbewegung zu profitieren. „Die Geschwindigkeit der Konsolidierung nimmt nun auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu“, stellt Bain-Experte Klingan fest. „Erste PE-Fonds beginnen in konsumnahen Geschäftsfeldern mit dem Aufbau eigener Plattformen und stärken sie durch Zukäufe.“
Umbruch im Gesundheitssektor
Die Bedeutung der Verbraucher für das Gesundheitsgeschäft wächst stetig. Dies ist laut Bain einer von fünf disruptiven Trends, die die Branche in den kommenden Jahren grundlegend verändern werden:
- Patienten haben aufgrund digitaler Innovationen mehr Auswahlmöglichkeiten und nutzen diese auch. Damit werden Themen wie Kundenorientierung, Transparenz und Convenience in der Gesundheitsbranche zunehmend wichtige Erfolgsfaktoren.
- Die digitale Revolution. Der Gesundheitssektor zählt zu den Spätzündern in puncto Digitalisierung. Doch der Markteintritt der Hightech-Konzerne sowie neue Technologien wie Advanced Analytics, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen beschleunigen auch hier das Tempo der Transformation.
- Der Amazon-Effekt. Amazon schreckte im Januar 2018 die gesamte Branche mit der Ankündigung auf, gemeinsam mit JP Morgan Chase und Berkshire Hathaway einen Gesundheitsdienstleister zu gründen. Auch Alibaba, Apple, Samsung und Tencent investieren verstärkt in das Gesundheitsgeschäft. Branchengrenzen beginnen zu verschwimmen.
- Veränderte Regelwerke. Neue Regeln für Medizinprodukte in der EU und in China, der Brexit und die US-Steuerreform zwingen Gesundheitsanbieter weltweit, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Weitere Regulierungen sind zu erwarten, unter anderem mit Blick auf die Debatte um hohe Medikamentenpreise in den USA und in Europa.
- Personalisierte Medizin. Die Zeit der Blockbuster geht zu Ende. Die Zukunft gehört der individualisierten Behandlung, basierend auf der Gesundheitshistorie eines Menschen, auf genetischen Informationen des einzelnen Patienten, die immer einfacher und billiger zu erhalten sind, sowie auf dessen persönlichen Bedürfnissen.
„Diese disruptiven Trends werden die Gesundheits- und damit auch die Private-Equity-Branche noch viele Jahre beschäftigen“, ist Bain-Gesundheitsexperte Klingan überzeugt. „PE-Fonds, die sich frühzeitig in diesem Sektor positionieren, werden von den Veränderungen profitieren.“
Klingan sieht den Gesundheitssektor insgesamt vor einer Zeitenwende, in der ein wesentlicher Faktor die Transformation erleichtert: „Die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen wird in den kommenden Jahren weiter steigen – und zwar unabhängig von der konjunkturellen und politischen Entwicklung.“