GKV sieht Nachbesserungsbedarf bei DiGA

GKV-Spitzenverband-Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis: „Bei den DiGA ist nicht alles Gold, was glänzt.“ (Foto: GKV-Spitzenverband)
GKV-Spitzenverband-Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis: „Bei den DiGA ist nicht alles Gold, was glänzt.“ (Foto: GKV-Spitzenverband)

Rund anderthalb Jahre nach der Einführung der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) zieht der GKV-Spitzenverband nun eine erste und wenig positive Bilanz. Er fordert deshalb Anpassungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Seit rund anderthalb Jahren stehen die ersten DiGa flächendeckend als neue Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Verfügung. In dem Bericht zum Zeitraum 1. September 2020 bis 30. September 2021 zieht der GKV-Spitzenverband nun eine erste Bilanz zur Inanspruchnahme und Entwicklung der Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen. 

Insgesamt wurden in dem Berichtszeitraum rund 50.000 DiGA ärztlich verordnet oder von den Krankenkassen genehmigt. Lediglich knapp 80 Prozent davon wurden bereits aktiviert.

Nicht alles Gold, was glänzt

Die GKV bemängelt, dass nur ein Viertel der Anwendungen dauerhaft ins BfArM-Verzeichnis aufgenommen wurde und ihren Nutzen belegen konnte. Drei Viertel hingegen sind weiterhin nur zur Erprobung gelistet, da sie innerhalb eines Jahres noch keine positiven Versorgungseffekte nachweisen konnten. „Der Bericht zeigt: Bei den DiGA ist nicht alles Gold, was glänzt. Obwohl der Gesetzgeber mit einem großen Vertrauensvorschuss den Herstellern maximalen Freiraum geschaffen hat, um Produkte auf den Markt zu bringen, die die Versorgung der Versicherten maßgeblich verbessern, konnten die Erwartungen bisher kaum erfüllt werden“, sagt Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. Das zeige die hohe Quote der nur zur Erprobung gelisteten Anwendungen deutlich. Dabei haben DiGA nach Ansicht von Stoff-Ahnis großes Potenzial. „Sie könnten Brücken schlagen zwischen Patientinnen und Patienten, deren Behandelnden, den Versorgungsbereichen und den unterschiedlichen Fach- und Berufsgruppen“, so die Expertin. 

Innovationscharakter gering

Die Analysen des GKV-Spitzenverbandes legten aber auch nahe, dass DiGA derzeit statt als funktionales Scharnier eher als Begleitung oder Coach ausgestaltet würden. „Wenn eine DiGA bloß Leitlinieninhalte oder Selbsthilfe-Manuale digital abbildet, ist der Innovationscharakter begrenzt. Nach über einem Jahr DiGA sehen wir in der GKV eine eher verhaltene Nachfrage. Vor dem Hintergrund des geringen Innovationscharakters und der fehlenden Nutzennachweise kann das niemanden überraschen“, so Stoff-Ahnis.

400 Euro pro Quartal

Dabei könnten digitale Gesundheitsanwendungen die Versicherten dazu befähigen, ihre Versorgung aktiv mitzugestalten und damit selbst zu Behandlungserfolgen beizutragen. Allerdings legen die gesetzlichen Bedingungen, unter denen die DiGA in den gesetzlichen Leistungskatalog integriert sind, zu wenig Wert auf den positiven Versorgungsnutzen für die Patientinnen- und Patienten und sie führen zu überhöhten Preisen, bemängelt der GKV-Spitzenverband. Das Preisspektrum bei den DiGA erstreckt sich von 119 Euro bis 744 Euro für drei Monate. Der durchschnittliche Preis liegt bei rund 400 Euro im Quartal. 

Verbrannter Boden

„Auch wenn kein innovatives Konzept besteht und keine Evidenz vorliegt, müssen die Preise bei einer DiGA in Erprobung bis zu zwei Jahre von der GKV finanziert werden“, erklärt Stoff-Ahnis. Dabei dürften die Hersteller die Preise im ersten Jahr in beliebiger Höhe festlegen. „Es liegt auf der Hand, dass bei potenziellen Ausgaben dieser Größenordnung ein beträchtlicher positiver Effekt für die Versorgung eingefordert werden muss“, meint die Expertin. Dies für alle DiGA zu garantieren, ist sei gemeinsame Aufgabe für die kommenden Jahre. Das gelte auch deshalb, weil DiGA als digitale Vorreiter entweder Innovationen den Boden bereiten oder ihn aber verbrennen könnten.

Nutzen im Blick behalten

Zwar haben DiGA das Potenzial, die Versorgung der 73 Millionen gesetzlich Versicherten dauerhaft und wirtschaftlich zu verbessern. Dafür brauchen die gesetzlichen Rahmenbedingungen jedoch ein Update. Dabei stehen für den GKV-Spitzenverband drei zentrale Punkte im Fokus: Der wissenschaftliche Nachweis des medizinischen Nutzens für die Versicherten muss durch die herstellenden Unternehmen gewährleistet sein. Eine DiGA sollte eine echte Innovation mit einem belegten Mehrwert für die Versorgung sein. Und die Preise für eine DiGA dürfen von den Herstellenden im ersten Jahr nicht mehr beliebig festgelegt werden.

Downloads alleine reichen nicht

„Um langfristig die Erwartungen zu erfüllen und die Anschubfinanzierung und den Vertrauensvorschuss zu verdienen, die mit dem neuen Leistungsbereich verbunden sind, muss das Missverhältnis hinsichtlich der vergleichsweise niedrigen Zugangsvoraussetzungen für DiGA, der geringen Innovationskraft und ihrer fehlenden Wirtschaftlichkeit konstruktiv weiterentwickelt werden. Wir wollen therapeutischen Nutzen für Patientinnen und Patienten bezahlen und keine Downloads“, so Stoff-Ahnis.

Viele der in die Regelversorgung aufgenommenen DiGA beziehen sich auf Krankheitsbilder mit sehr hohen Prävalenzen und potenziellen Nutzerzahlen in der GKV. Ein Schwerpunkt sind beispielsweise psychischen Erkrankungen.  Die Hälfte der im BfArM-Verzeichnis im Berichtszeitraum gelisteten 20 DiGA beziehen sich auf den Bereich. Erkrankungen des Nervensystems sind ein weiterer Schwerpunkt.

Die Mehrheit der DiGA (fast 90 Prozent) wurde ärztlich oder psychotherapeutisch verordnet, rund zehn Prozent der DiGA kamen nach Genehmigung durch die Krankenkasse zur Anwendung. Rund ein Drittel der Verordnungen wurden durch Hausärztinnen und Hausärzte und 20 Prozent durch Fachärztinnen und Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde ausgesprochen.