Obwohl die meisten Life-Sciences-Unternehmen die Behandlungsvorteile von Connected Health sehen, setzen sie bislang nur wenige digitale Gesundheitsangebote um, wie eine aktuelle Capgemini-Studie zeigt. Etablierte Unternehmen sollten Fahrt aufnehmen, denn auch Tech-Giganten haben das Potenzial erkannt.
Die Zahl der zugelassenen Connected-Health-Angebote wird in den nächsten fünf Jahren um 40 Prozent steigen, so das Capgemini Research Institute in seiner aktuellen Studie „Unlocking the Value in Connected Health“ . Das hat das Potenzial zur Einbindung der Patienten, für neue Behandlungsmöglichkeiten sowie zu früheren Diagnosen von Erkrankungen. Allerdings kommen bislang lediglich 20 Prozent der Ansätze für vernetzte Gesundheitsangebote über die Testphase (Proof of Concept) hinaus, so die Studie.
„Der Bedarf und die Möglichkeit, die Behandlungserfolge für Patienten zu verbessern, sind heute vorhanden. Eine Reihe von Technologien verspricht, die Behandlungspfade sowie die Interaktion von Patienten und Gesundheitsdienstleistern zu revolutionieren“, sagt Dr. Axel Sinner, Director im Beratungsbereich Life-Sciences- bei Capgemini Invent. Um von den Vorteilen digitaler Gesundheitstechnologien zu profitieren, müssten Unternehmen Fähigkeiten, Technologien und Strukturen für ein skalierbares, personalisiertes und integriertes Connected-Health-Portfolio aufbauen. „Größere Life-Sciences-Organisationen zeigen vielversprechende Anzeichen von Reife; da aber auch große Tech-Player das Potenzial im Auge haben, müssen alle etablierten Marktteilnehmer an Tempo zulegen“, mahnt Sinner.
Geringer Reifegrad
Derzeit testet weltweit nur jedes sechste (16 Prozent) Life-Sciences-Unternehmen Connected-Health-Lösungen oder hat für entsprechende Angebote bereits die Marktzulassung erhalten. Der Reifegrad von Connected Health bei den meisten Unternehmen ist insgesamt noch gering. Zu den wichtigsten Therapiebereichen für künftige Connected-Health-Produkte gehören in den nächsten fünf Jahren neuronal bedingte Krankheiten wie Multiple Sklerose, Alzheimer und Epilepsie, gefolgt von seltenen Krankheiten und Immunologie. Dafür plant mehr als die Hälfte der Life-Sciences-Unternehmen, Lösungen zu entwickeln: für die Fernbeobachtung von Patienten, für digitale Biomarker-Anwendungen (z. B. mit am Körper tragbaren Biosensoren), KI-gestützte prädiktive Diagnostik und Präventivmedizin.
Realisierung gelingt nicht
Derartige Lösungen anwendungsreif zu realisieren, gelingt derzeit jedoch nur den wenigsten. Erst ein Viertel der befragten Life-Sciences-Unternehmen besitzt die nötige Reife in Schlüsselbereichen des digital vernetzten Gesundheitssektors wie Portfoliostrategie, Produktdesign und Produktentwicklung. Weniger als ein Drittel der Unternehmen verfügt laut Studie über die digitalen, technologischen und integrativen Fähigkeiten, die für erfolgreiche Initiativen im Bereich Connected Health erforderlich sind. So nutzt beispielsweise nur ein Viertel der Unternehmen künstliche Intelligenz, um Echtzeitdaten aus vernetzten Gesundheitsprodukten zu analysieren. Noch weniger (21 Prozent) verfügen über eine zentrale Einheit, um Innovationen, Synergien und Best Practices in ihrem Connected-Health-Portfolio zu fördern.
Großunternehmen sind weiter
Es sind überwiegend die größeren Unternehmen, die den erforderlichen Reifegrad von Connected Health aufweisen. Fast die Hälfte der Life-Sciences-Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Milliarden US-Dollar gab an, dass ihre Portfoliostrategie und -planung ausgereift ist, verglichen mit nur 17 Prozent der Unternehmen mit weniger als einer Milliarde US-Dollar Umsatz.
Unterschiedliche Einschätzung bremst aus
Vor allem kleinere Life-Sciences-Unternehmen haben allerdings Nachholbedarf. Die Ursachen für ihre mangelnde Reife könnten darin begründet liegen, dass Führungskräfte aus der IT einerseits und aus den Geschäftsbereichen andererseits die im Unternehmen vorhandenen Fähigkeiten unterschiedlich einschätzen: So glaubt beispielsweise fast die Hälfte der Vertreter der Geschäftsseite, dass ihr Unternehmen für vernetzte Gesundheitsangebote über angemessene Fähigkeiten im Bereich Augmented- und Virtual Reality verfügt. Dieser Meinung sind jedoch nur 20 Prozent der Tech-Führungskräfte. Augmented- und Virtual Reality, Systemtheorie und Interoperabilität, Engineering und human-zentriertes Design sind die technischen Fähigkeiten, bei denen die größten Lücken bestehen.
Sechs Ansätze zur Beschleunigung
Um die Entwicklung konkreter Ansätze im Bereich Connected Health zu beschleunigen, empfehlen die Studienautoren den Unternehmen sechs Ansätze zur Erhöhung des Reifegrad bei Connected Health in diesem Bereich:
- Definition einer kommerziellen Connected-Health-Strategie, abgestimmt auf die bestehenden Portfolio-Pläne
- Entwicklung von Connected-Health-Produkten mit messbarem Patientennutzen und Behandlungsergebnis
- Aufbau eines Datenökosystems, das den sicheren Datenaustausch und die Interoperabilität innerhalb sowie außerhalb des Unternehmens ermöglicht und fördert
- Qualifizierung von Mitarbeitenden in den Bereichen Datenwissenschaft, Verhaltensforschung und agiler Entwicklung
- Zentralisierung der Governance, des Geschäftsmodells und der Finanzstrukturen für Connected Health, um das Wachstum und die regulatorische Koordination zu fördern
- Aufbau eines Connected-Health-Ökosystems, das Struktur und Leitlinien bietet, aber auch offene Innovation zulässt