Blitzumfrage: Digitalisierungsdefizite an Kliniken

Medizinerin mit Tablet-PC
Medizinerin mit Tablet-PC: „Geld in Digitalisierung gesteckt, das an anderer Stelle dringend benötigt würde“ (Foto: adam121/123rf.com)

Im Oktober 2020 wurde das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) beschlossen. Es steht unmittelbar vor der geplanten Evaluierung seines Umsetzungsgrades. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass viele Krankenhäuser weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind.

Ziel des Gesetzes waren Impulse zur dringend notwendigen Digitalisierung deutscher Kliniken. Die entsprechenden Defizite der allermeisten deutschen Krankenhäuser, die damit einhergehenden Probleme in der aktuellen Versorgung sowie die zukünftigen Herausforderungen sind weitgehend bekannt. Aber schon jetzt zeichnet sich ab: Die Krankenhäuser sind aus vielen Gründen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben und die im Gesetz geforderten Maßnahmen können aktuell nicht umgesetzt werden. Das legt auch eine Blitzumfrage des Hartmannbundes nahe, die kürzlich unter Klinikärztinnen- und Ärzten durchgeführt wurde.

So schildert eine Mehrzahl der über 300 Teilnehmer Schwierigkeiten bei der Implementierung der Digitalisierungsvorgaben. 56 Prozent sagen, dass es bereits bei der Beschaffung und Vergabe von notwendigen Komponenten zu Verzögerungen gekommen sei. 58 Prozent schildern hausinternen Personalmangel und mehr als ein Viertel der Befragten berichtet von Lieferschwierigkeiten der Industrie.

Hemmschuh für die Zukunft

„Auch wenn der Wille da ist und selbst wenn das Geld vorhanden wäre, sind die Umsetzungskapazitäten begrenzt. Die Förderbescheide benötigen Zeit, die entsprechenden Unternehmen sind ausgelastet und die Kliniken müssen auf die Umsetzung warten“, sagt Dr. Moritz Völker, Vorsitzender der Jungen Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund. Auch Dr. Dr. Galina Fischer, Vorsitzende des Arbeitskreises Stationäre Versorgung im Hartmannbund, warnt vor den mit der aktuellen Situation einhergehenden Problemen: „In solchen Situationen, in denen man nehmen muss, was man bekommen kann, droht der unbedingt notwendige Fokus auf Usability und Mehrwert verloren zu gehen, nur um die Anforderungen fristgerecht irgendwie zu erfüllen – das kann ein Hemmschuh für die Zukunft sein, weil am Ende undurchdacht digitalisiert wird und die Prozesse kompliziert und insuffizient bleiben könnten.“

Vielfach bleibt der erwünschte Leistungssprung aus. So sagen über 80 Prozent der Umfrageteilnehmer, dass die aktuell genutzte Software im Krankenhaus die Erwartungen nicht erfüllt. Gleichzeitig geben 50 Prozent der Befragten an, nicht einmal über ausreichend PCs an den Arbeitsplätzen zu verfügen und mehr als 60 Prozent der Befragten empfinden, das aktuelle Krankenhausinformationssystem (KIS) als nicht benutzerfreundlich.

Dysfunktionale Umsetzung

Dabei seien die Ärzte durchaus offen für neue Technologien, sagt der Hartmannbund. Rund vier von fünf Ärzten sehen in digitalen Diensten einen unmittelbaren Nutzen für die Patientenversorgung und trotz der bisherigen Erfahrungen sogar mehr als 70 Prozent von ihnen eine entlastende Funktion für die alltäglichen Arbeitsabläufe. All das sind Hinweise auf die bisher unkoordinierte und oftmals dysfunktionale Umsetzung der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern. 

„Digitalisierung allein ist noch kein Mehrwert. Sie muss akribisch vorbereitet, gründlich durchdacht und am Ende auch gut gemacht sein, um die komplexen Strukturen der Krankenhausversorgung abbilden und vereinfachen zu können“, sagt Völker.

„Das aktuelle Vorgehen inklusive der drohenden Abschläge bei Nichtumsetzung des KHZG könnte spürbare Folgen für die Kliniklandschaft haben, da voraussichtlich nur eine Minderheit der Krankenhäuser die Vorgaben voll erfüllen wird“, sind sich die beiden Arbeitskreisvorsitzenden einig. Fischer: „Selbst, wenn es gelingen sollte, besteht die Gefahr, dass es am Ende wieder Datensilos werden, die der Interoperabilität erneut nur begrenzt zur Verfügung stehen und auch patientenunfreundlich sind.“

Kliniken brauchen Planungssicherheit

Ein Beispiel: Laut Hartmannbund-Umfrage nutzen aktuell 13 Prozent der Befragten ein Patientenportal, weitere sechs Prozent sagen, dieses sei in der Umsetzung. Im KHZG ist ein solches Portal aber eine zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der Vorgaben bis 1. Januar 2025. Völker: „Wie die Politik mit dieser Realität umgehen will, sollte dringend geklärt werden, auch um den Kliniken Planungssicherheit zu geben.“

Die beiden Hartmannbund- Arbeitskreisvorsitzenden warnen auch vor einem weiteren Dilemma: Niemand könne bisher realistisch die Auswirkungen der parallel geplanten notwendigen Krankenhausreform auf die Versorgungslandschaft absehen. Voraussichtlich werde ein substanzieller Anteil der Krankenhäuser nicht mehr in der Form an der Versorgung teilnehmen, wie das heute der Fall sei. Auch in diesen Häusern werde aber Geld in Digitalisierung gesteckt und somit begrenzte Ressourcen, die an anderer Stelle dringend benötigt würden, möglicherweise unnötig verbraucht. „Was wir beobachten, sind zwei parallel ablaufende, aber unkoordinierte Vorgänge. Das darf die Politik nicht einfach laufen lassen“, so die beiden Arbeitskreisvorsitzenden abschließend.