Die Telemedizin steht kurz vor dem Durchbruch. 43 Prozent der Deutschen befürworten eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots, etwa bei chronischen Erkrankungen. 74 Prozent wünschen sich einen weiteren Ausbau der ärztlichen Beratungsmöglichkeiten im Internet. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Future Health 2018“, einer repräsentativen Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC unter 1.000 Bundesbürgern. Die Studie zeigt aber auch, dass der direkte Kontakt zum Arzt für die Patienten wichtig bleibt.
Video- oder Telefonsprechstunden waren bislang nach dem Fernbehandlungsverbot untersagt, wenn Arzt und Patient sich zuvor nicht wenigstens einmal persönlich gesehen hatten. Die Lockerung des Verbots durch den Deutschen Ärztetag ermöglicht eine Behandlung aus der Ferne ist in Einzelfällen auch ohne persönlichen Erstkontakt zwischen Arzt und Patient. „Die Ärzteschaft hat damit den Weg für einen weiteren Ausbau der Telemedizin geebnet, der dringend notwendig ist“, sagt Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswesen & Pharma bei PwC Deutschland. Neue Kommunikationstechnologien können die ärztliche Versorgung nach Ansicht von Burkhart sinnvoll ergänzen, sofern sie vom Mediziner verantwortungsvoll eingesetzt werden. „Wir müssen uns in diesem Punkt auch dem internationalen Wettbewerb stellen. Denn in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien, der Schweiz oder in Skandinavien ist die Telemedizin längst Standard“, betont der Experte.
Laut der Studie stehen einige der Befragten der Fernbehandlung auch skeptisch gegenüber. So halten es 42 Prozent für notwendig, dass es vor der Online-Behandlung zumindest einen Direktkontakt zwischen Arzt und Patient gegeben hat. Zudem sind 94 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass bei schweren Erkrankungen ein persönlicher Kontakt zwischen Arzt und Patient unverzichtbar ist. 86 Prozent der Befragten meinen, dass sich der Arzt selbst ein Bild von seinem Patienten machen sollte. Vor allem Frauen legen Wert auf den persönlichen Kontakt zum Arzt.
Telemedizin erwünscht
72 Prozent Befragten wollen auch über moderne Kommunikationsmedien Kontakt zur Arztpraxis aufnehmen können. Allerdings glauben nur wenige daran, dass in zehn Jahren Patientengespräche ausschließlich auf diesem Weg geführt werden. „Die Bürger sehen durchaus die Vorteile der Telemedizin – keine Wege, keine Wartezeiten, eine Entlastung der Arztpraxen –, aber bewerten telemedizinische Lösungen nicht als Ersatz für die direkte Beratung, sondern als ergänzendes Instrument“, sagt Burkhart. So ist heute für viele Patienten der Einsatz Robotern oder Computern durchaus vorstellbar, zum Beispiel für eine Entlastung der Arztpraxen und zur Zeitersparnis (jeweils 71 Prozent). Viele Versicherte haben jedoch auch Angst vor den Risiken, zum Beispiel vor der Gefahr technischer Fehler (85 Prozent) und falscher Diagnosen (80 Prozent).
Rat aus dem Internet
Der Arzt bleibt ein wichtiger Ansprechpartner. Doch zusätzlich holen sich immer mehr Patienten Rat aus dem Internet. Am häufigsten rufen sie dazu Gesundheitsportale auf (24 Prozent: „sehr häufig“, 48 Prozent: „manchmal“). Die Internetseiten von Gesundheitsmagazinen werden von 16 Prozent der Befragten häufig und von 52 Prozent manchmal besucht. (Auch die Beratung von Patient zu Patient durch Online-Foren gewinnt an Bedeutung und wird als dritthäufigste Informationsquelle genannt (19 beziehungsweise 36 Prozent). Die Internetseiten von Krankenkassen und von Behörden oder Organisationen spielen hingegen eine weniger große Rolle bei der Suche nach Gesundheitsinformationen.
Neue Technologien für einen besseren Service
Die meisten Beefragten sind neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen. Sechs von zehn Befragten stufen den Stand des deutschen Gesundheitswesens in puncto neue Technologien als „sehr gut“ oder „eher gut“ ein. Vor allem bei der Diagnose von Krankheiten hofft jeder Zweite, dass eine stärkere Technologisierung zur mehr Erkenntnissen beiträgt. Zudem ist den Befragten eine bessere Kommunikation zwischen Ärzten, Apotheken, Krankenhäusern und Krankenkassen durch mehr neue Technologien wichtig (48 Prozent). „In diesem Punkt zeigt sich, dass wir den Service in unserem Gesundheitswesen verbessern müssen“, so Burkhart. Die Patienten spürten, dass die Kooperation unter den Leistungserbringern noch immer nicht optimal sei.
In ihrem Alltag setzen viele Deutsche bereits Technologien ein. So nutzt mehr als jeder zweite Versicherte Wearables oder kann sich das für die Zukunft vorstellen. Am wichtigsten ist den Bürgern dabei die genaue Aufzeichnung der eigenen Aktivitäten, wie zum Beispiel die Zahl Schritte (85 Prozent), gefolgt von der Messung der Vitalkörperfunktionen wie Puls und Herzfrequenz (77 Prozent). Zur Gewinnung von medizinischen Informationen, wie beispielsweise zum Messen von Blutdruck oder Blutzuckerspiegel werden Wearables hingegen bislang seltener eingesetz. Mit zunehmender Technologisierung des Gesundheitswesens wird die Weitergabe von Gesundheitsdaten durch Wearables jedoch künftig deutlich wichtiger werden, so die Prognose.