Erstmals 3D-Wanderung durch die Milz

Zwischen den feinsten Blutgefäßen der Milz virtuell zu wandern ist jetzt erstmals möglich. Mithilfe von Virtual-Reality-Brillen kann man dreidimensionale Modelle der Blutgefäße erkunden.

Gelungen ist das Vorhaben einer Forschungsgruppe der Marburger Hochschulmedizin gemeinsam mit Informatikern der Universität Bayreuth: Das Team fand dadurch heraus, wie das Geflecht der Milzgefäße bei Menschen im Detail strukturiert ist.

Blick mit Virtual-Reality-Brille

„Das Besondere ist, dass wir das 3D-Modell der Milzgefäße mit einer speziellen Virtual-Reality-Brille ansehen können, wie man sie von Computerspielen kennt“, erläutert Dr. Oleg Lobachev von der Universität Bayreuth. Gleichzeitig lassen sich die originalen, gefärbten Gewebeschnitte einblenden, aus denen das Modell entstanden ist. „Der Betrachter bewegt sich also in einem virtuellen Raum durch das Modell“, ergänzt Steinigers Mitarbeiterin Dr. Verena Wilhelmi.

Die Milz hilft unter anderem, Fremdkörper, Krankheitserreger und überalterte rote und weiße Blutkörperchen aus dem Körper zu entfernen. Hierfür verfügt sie als einziges Organ des Menschen über ein offenes Kreislaufsystem: Darin tritt das Blut aus offenen Enden von Haargefäßen aus; anschließend bewegt es sich frei im Bindegewebe, bis es sich wieder in venösen Gefäßen sammelt.

Vernachlässigte Kapillarhülsen in der Milz

„Beim Menschen und den meisten Wirbeltieren besitzen die Anfänge der Haargefäße besondere Wandstrukturen, welche die Gefäße ummanteln, sogenannte Kapillarhülsen“, erklärt Professorin Dr. Birte Steiniger von der Philipps-Universität Marburg. Eine Ausnahme bilden jedoch Nager wie Ratten oder Mäuse, die am häufigsten herhalten müssen, wenn Krankheiten im Tiermodell untersucht werden. „Die Dominanz mäusebasierter Forschung hat zu einer weitgehenden Vernachlässigung von Kapillarhülsen in der Milz geführt“, sagt Steiniger, die seit langem daran arbeitet, das Blutgefäßsystem des Organs neu zu kartieren.

Um die Kapillarhülsen exakt lokalisieren zu können, tat sich die Medizinerin mit Informatikern von der Universität Bayreuth zusammen. Gemeinsam entwickelte das Team ein Verfahren, um die Blutgefäße dreidimensional abzubilden. Hierfür fertigen Steiniger und ihre Arbeitsgruppe Serienschnitte des Gewebes an, in denen sie charakteristische Strukturen anfärben und somit sichtbar machen, zum Beispiel Gefäßwände. Eine selbst entwickelte Software verarbeitet die Gewebeschnitte zu einem dreidimensionalen Modell. Durch die neuen technischen Möglichkeiten fanden die Marburger Wissenschaftlerinnen jetzt heraus, dass die Milzkapillaren erheblich komplizierter und vielgestaltiger gebaut sind, als die anatomischen Lehrbücher dies derzeit darstellen.

Das Forschungsteam veröffentlichte seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Scientific Reports.