Projekt: Anders Wohnen im Alter

Viele Menschen suchen bezahlbaren Wohnraum, während andere über sanierungsbedürftige Häuser mit nicht genutzten Räumen verfügen. Wie bringt man diese Menschen zusammen? Ein Projekt im Kreis Steinfurt zeigt auf, dass hier Potenzial brachliegt und Lösungen gefragt sind.

Die Wohnbedürfnisse eines Menschen verändern sich im Laufe des Lebens. Auch im fortgeschrittenen Alter verändert sich der Bedarf noch einmal: Sind etwa die Kinder ausgezogen, empfinden viele Menschen ihr Haus als zu groß und nicht altersgerecht. Zudem ist es oft sanierungsbedürftig. 

Parallel suchen aktuell viele Menschen nach passendem, bezahlbarem Wohnraum. Ein Dilemma, für das Öko-Institut und das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt „LebensRäume“ Lösungen entwickeln.

Herausforderung Flächenfraß 

Eine weitere Herausforderung für viele ländliche Kommunen: Weil die Nachfrage nach Wohnraum steigt, werden oft neue Bauflächen ausgewiesen. Dabei wäre noch viel Platz im Bestand. Doch die vorhandenen Häuser sind oft aus den 1960er/1970er Jahren, nicht energieeffizient, sanierungsbedürftig und zudem schon bewohnt – häufig von älteren Eigentümern, die sich Gedanken darüber machen, wie sie ihr Haus als Paar oder Single nach dem Auszug der Kinder nutzen wollen. 

In Kooperation mit dem Kreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen untersuchen Öko-Institut und ISOE, ob und wie der vorhandene Wohnraum bedarfsgerecht genutzt werden kann. Eine Möglichkeit: Eigentümer ziehen in eine kleinere, altersgerechte Wohnung und verkaufen ihr Haus. Oder aber: Sie vermieten nicht genutzte Teile des Hauses. Das ISOE hat in sechs Modellkommunen ältere Hausbesitzer zu ihrer Wohnsituation und ihren Einstellungen gegenüber diesen Möglichkeiten befragt. 

Potenzial an ungenutztem Wohnraum

In Emsdetten, Ibbenbüren, Lengerich, Mettingen, Saerbeck und Wettringen gibt es einen erheblichen Anteil an kleinen Haushalten, die meist über sehr viel Wohnfläche verfügen. „Legt man als Grenze eine Wohnfläche von 80 Quadratmeter für einen Ein-Personen-Haushalt oder 120 Quadratmeter für einen Zwei-Personen-Haushalt fest, so fallen 20 bis 25 Prozent der Haushalte in diese Gruppe“, sagt Immanuel Stieß vom ISOE. „Für uns ist aber vor allem der hohe Anteil nicht vermieteten Leerstands interessant.“ Knapp über die Hälfte der Befragten im Kreis Steinfurt im Alter ab 55 Jahren gab an, über ungenutzte Räume in ihrem Haus zu verfügen. Nicht selten sind das zwei oder mehr vom eigenen Wohnraum abgetrennte Räume oder eine ganze Einliegerwohnung.

Vermietung wird skeptisch gesehen

Die Zahl solcher nicht vermieteter Wohnungen beläuft sich auf schätzungsweise 5.000 im gesamten Kreisgebiet. „Viele Eigentümerinnen und Eigentümer schließen eine Vermietung allerdings aus“, berichtet Stieß. Als Gründe werden die Belastung durch Planung und Finanzierung des Umbaus genannt, aber auch die Sorge, die gewohnte Eigenständigkeit zu verlieren oder möglicher Ärger mit Mietern.

Großer Beratungsbedarf in Kommunen 

Die Umfrage zeigte auch, dass Dreiviertel der Hauseigentümer sich grundsätzlich einen Umzug in eine altersgerechte Wohnung oder in ein kleineres Haus vorstellen können. „Aber nur 14 Prozent der Befragten haben vor, in den nächsten fünf Jahren etwas an ihrer Wohnsituation zu verändern“, sagt Projektleiterin Corinna Fischer vom Öko-Institut. „Der Weg von einer grundsätzlichen Bereitschaft zu einem konkreten Plan ist weit.“ Das Expertenteam erpropt deshalb mit dem Kreis Steinfurt und ausgewählten Kommunen in bis zu 300 Haushalten eine persönliche Beratung sowie Workshops zum Thema „Wohnen im Alter“.

Denkprozess angestoßen

„Wir wollen Hauseigentümerinnen und -eigentümer über verschiedene Möglichkeiten informieren und bei der Meinungsbildung unterstützen“, erläutert Fischer. In einem nächsten Schritt sollen Kreise und Kommunen praktische Unterstützungsangebote aufbauen. Von Beratung zur Finanzierung eines Umbaus oder zu Vermieterrechten bis hin zu innovativen Wohnkonzepten für ältere Menschen ist vieles denkbar. Die Diskussion in den Kommunen hat jedenfalls begonnen.

Das Forschungsprojekt „LebensRäume – Instrumente zur bedürfnisorientierten Wohnraumnutzung in Kommunen“ wird innerhalb der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. Weitere Informationen unter: https://kommunen-innovativ.de/lebensraeume