Präzisionswaffe gegen Tumoren

Eine neue Präzisionswaffe für die Krebstherapie haben Forscher des Dresdner OncoRay-Zentrums vorgestellt. Zusammen mit Wissenschaftlern vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist es ihnen nach eignen Angaben gelungen, die Qualität der Bestrahlungsplanung für die Protonentherapie auf ein weltweit einmaliges Niveau zu heben. Dazu haben sie ein neuartiges Berechnungsverfahren zur Bestimmung der Reichweite des Protonenstrahls entwickelt und dessen Gültigkeit für die Anwendung am Patienten gezeigt.

Grundlage hierfür war die in Dresden erstmals zur Bestrahlungsplanung eingesetzte Bildgebungsmethode der Dual-Energy Computertomographie. Seit Juli 2017 profitieren Patienten der Universitäts Protonen Therapie Dresden (UPTD) unmittelbar von den Forschungsergebnissen.

Schutz für gesundes Gewebe

Protonen besitzen für die Krebstherapie besonders günstige Eigenschaften. Bei richtig ausgewählter Ausgangsenergie geben sie den Großteil ihrer Energie im Tumor ab und kommen kurz darauf zum Stillstand. Auf diese Weise wird gesundes Gewebe geschützt. Dieser Vorteil kommt aber nur dann voll zum Tragen, wenn die positiv geladenen Wasserstoffkerne exakt an der richtigen Stelle im Körperinneren stoppen. Deshalb müssen die Medizinphysiker die Eigenschaften der vor dem Tumor liegenden Gewebe so genau wie möglich bestimmen. Denn dieses Gewebe bestimmt, wie stark der Strahl bei seinem Weg durch den Körper abgebremst wird.

In der Regel erfolgt die Analyse der Gewebeeigenschaften anhand einer aus zahlreichen Schnittbildern zusammengesetzten Computertomographie (CT)-Aufnahme. An der Universitäts Protonen Therapie Dresden hingegen wird seit 2015 erstmals die Dual-Energy Computertomographie (DECT) zur Bestrahlungsplanung eingesetzt. Dieses Verfahren liefert jeweils zwei CT-Aufnahmen, die mit unterschiedlichen Röntgen-Energien erzeugt werden. Aus ihnen sollen sich deutlich mehr Informationen über die Zusammensetzung von Geweben gewinnen lassen als bisher.

Tumoren zielgenau zerstören

Anhand von DECT-Aufnahmen von 50 Patienten mit Hirn- oder Prostatatumor konnten OncoRay-Wissenschaftler nun zeigen, dass bei der bisherigen Standardmethode zur Berechnung der Reichweite des Protonenstrahls klinisch relevante Abweichungen auftreten können. „Die Protonen dringen bei tiefliegenden Tumoren etwa vier Millimeter weiter in den Körper ein, als es unsere bisherigen Berechnungen voraussagen“, sagt Dr. Christian Richter, Leiter der Gruppe „Hochpräzisionsstrahlentherapie“ am OncoRay-Zentrum und am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.

Für die Auswertungen der Bilder kam ein neues und präzises Berechnungsverfahren zum Einsatz, das Forscher des DKFZ als Teil des Heidelberger Instituts für Radioonkologie (HIRO) entwickelt haben. Mit diesem Algorithmus lässt sich das Bremsvermögen des Gewebes in jedem Bildpunkt bestimmen. Die Dresdner und Heidelberger Forscher konnten nachweisen, dass das Verfahren in realen Bedingungen im menschlichen Gewebe sehr genau und verlässlich funktioniert. „Hiervon ausgehend konnten wir die bisherige Planungsmethode um die systematische Abweichung korrigieren. Damit können wir den Tumor ab sofort noch zielgenauer bestrahlen“, erläutert Prof. Mechthild Krause, Leiterin der Protonentherapie und Direktorin des OncoRay-Zentrums. Dadurch, dass der Strahl durch die verbesserte Planung weniger tief in den Körper eindringe, werde zudem noch weniger gesundes Gewebe hinter dem Tumor mitbestrahlt. Hiervon profitieren seit Juli 2017 rund Dreiviertel aller Patienten an der Dresdner Protonentherapie.

Weitere Verbesserung geplant

Das Team um Christian Richter nicht nur die Genauigkeit der bisherigen Berechnungen deutlich erhöhen. Es konnte darüber hinaus zeigen, dass in der individuellen Gewebezusammensetzung einzelner Patienten therapierelevante Unterschiede bestehen, die sich mit der momentanen Standardmethode nicht berücksichtigen lassen. Das neue Berechnungsverfahren soll daher künftig anstelle der Standardmethode eingesetzt werden, um die Therapie noch passgenauer auf den jeweiligen Patienten zuzuschneiden. Ein zusammen mit Siemens entwickelter Prototyp, der den Algorithmus klinisch anwendbar macht, soll bereits 2018 an der Dresdner Protonentherapie eingeführt werden. „Mit diesem Verfahren wird unsere Bestrahlungsplanung dann so genau sein, dass wir das Zielgebiet bei der Bestrahlung mit Protonen noch weiter verkleinern können“, so Prof. Krause. Um den Tumor werde immer auch ein Sicherheitssaum aus gesundem Gewebe mitbestrahlt, um sicherzugehen, dass auch wirklich alle Tumorzellen von den Strahlen getroffen würden. Dieser Saum betrage bei einem Tumor in 25 Zentimetern Tiefe derzeit etwa zehn Millimeter. „Auf Grundlage der neuen Berechnungsmethode können wir den Saum deutlich verkleinern“, erklärt Dr. Richter. „Gerade bei der Bestrahlung von Tumoren in sehr sensiblen Regionen wie im Gehirn können wenige Millimeter ausschlaggebend sein, um schwerwiegende Nebenwirkungen, die durch die Bestrahlung hervorgerufen werden können, zu vermeiden“, ergänzt Prof. Krause.