Patienten mit einem Herzschrittmacher leiden als Langzeitfolge häufig unter einer nachlassenden Pumpleistung des Herzens, Herzinsuffizienz oder Herzschwäche. Kardiologen der Klinik für Innere Medizin II des Ulmer Universitätsklinikums haben vor Kurzem erstmalig einen neuartigen Herzschrittmacher implantiert. Er stimuliert das herzeigene Reiz-Leitungssystem und soll so natürliche Herzschläge auslösen. Dadurch soll das Risiko der Patienten deutlich reduziert werden langfristig eine Herzschwäche zu entwickeln.
Da Herzschwäche zu vorzeitiger Erschöpfung, einer verminderten Leistungsfähigkeit, Müdigkeit, aber auch zu Atemnot oder Wassereinlagerungen in der Lunge oder den Beinen führen kann, wird die Lebensqualität der Patienten dadurch zum Teil deutlich beeinträchtigt. „Mithilfe des innovativen His-Bündel-Herzschrittmachers lässt die Pumpleistung des Herzens – anders als bei normalen Herzschrittmachern – nicht nach einiger Zeit nach“, berichten Dr. Tillman Dahme, Leiter der Elektrophysiologie, und Dr. Carlo Bothner, Bereichsfacharzt Elektrophysiologie und Spezialist für Herzschrittmacher-Implantationen. „Die Gefahr, dass die Patienten aufgrund einer Schrittmacher-bedingten Herzschwäche ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen, ist also äußerst gering. Auch zeichnet sich im Langzeitverlauf im Trend eine geringere Sterblichkeit ab.“
Die beiden Ärzte sind davon überzeugt, dass der His-Bündel-Schrittmacher weltweit einen Umbruch in der Herzschrittmachertherapie bedeutet. Denn er stimuliert das herzeigene Reiz-Leitungssystem. Dadurch wird eine wodurch eine physiologische, also natürliche Aktivierung der Herzkammern ausgelöst. Wie ein echtes Signal trifft der Reiz gleichzeitig in beiden Herzkammern ein. Damit unterscheidet er sich von herkömmlichen Schrittmachern, die an der Spitze der rechten Herzkammer befestigt werden. Geben diese Schrittmacher nun einen elektrischen Impuls ab, breitet sich dieser „unnatürlich“ von der rechten in die linke Herzkammer aus. Diese elektrische sowie mechanische Asynchronie kann langfristig dazu führen, dass der Patient eine Herzschwäche entwickelt.
Millimeterarbeit
Die Vorteile des His-Bündel-Schrittmachers führen jedoch gleichzeitig dazu, dass er die Kardiologen vor große Herausforderungen stellt. Denn die Schrittmachersonde muss direkt im His-Bündel befestigt werden. Dieses Geflecht aus spezialisierten Herzmuskelzellen wurde nach dem deutschen Internisten und Kardiologen Wilhelm His (1863-1934) benannt. „Das His-Bündel ist eine nur wenige Millimeter kleine Struktur in der Herzscheidewand zwischen den Vorhöfen und Kammern. Es exakt zu lokalisieren, erfordert komplexe technische Voraussetzungen“, erläutert Dahme. Der Eingriff erfolgt in einem der speziellen Hybrid-OP-Säle am Universitätsklinikum, die mit Elektrophysiologie-Laboren ausgestattet sind. „Da das His-Bündel ein unverkennbares elektrisches Signal aussendet, wissen wir genau, wenn der Katheter es erreicht hat und können die Sonde punktgenau platzieren“, so Dahme.
Deutlicher Fortschritt durch Schrittmacher
„Seit 60 Jahren werden Herzschrittmacher in der Patientenversorgung eingesetzt“, erläutert Professor Dr. Wolfgang Rottbauer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin II. Doch abgesehen von Weiterentwicklungen hinsichtlich einer längeren Batterielebensdauer oder einer immer weiteren Verkleinerung der Schrittmachergehäuse ist der His-Bündel-Schrittmacher seiner Einschätzung nach seit Jahrzehnten der erste fundamentale Fortschritt, der die Nachteile der konventionellen Schrittmacher aufzuheben verspricht.
Seit dem ersten Eingriff Mitte Juli sind in der Klinik für Innere Medizin II seit Mitte Juli bereits zahlreiche sogenannte His-Bündel-Schrittmacher implantiert worden. Die Therapie gehört mittlerweile zum standardmäßig angebotenen Behandlungsspektrum der Klinik und kann bei Patienten, bei denen der Einsatz medizinisch indiziert ist, durchgeführt werden.