Monitoring für Covid-19 Risikopatienten

Mit Ohrsensoren können Sauerstoffsättigung, Puls und andere Biowerte besonders stabil gemessen werden. (Foto: Andreas Heddergott / TUM)

Mit Hightech-Sensoren will ein Forscherteam der Technischen Universität München (TUM) rund um die Uhr Biowerte von Covid-19-Patienten in häuslicher Isolation messen. Damit wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob eine besonders zeitnahe Behandlung bei schlechter werdenden Werten Überlebenschancen verbessern und Intensivstationen entlasten kann. 

Nach einer Infektion mit dem Coronavirus kommt es bei einem schweren Verlauf der Erkrankung in einer zweiten Phase zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands mit zum Teil schwerwiegenden Lungenentzündungen. „Hier kommt es darauf an, dass Patientinnen und Patienten rechtzeitig in Kliniken behandelt werden. Je früher sie medizinisch gut versorgt werden, desto besser ist die Prognose“, sagt Prof. Georg Schmidt, Leiter der Arbeitsgruppe Biosignalverarbeitung am Klinikum rechts der Isar der TUM.

Im Rahmen einer Studie in München wollen Schmidt und sein Team ermitteln, ob sich mittels eines wie ein Hörgerät im Ohr getragenen Hightech-Sensors eine Verschlechterung einer Covid-19-Erkrankung frühzeitig erkennen lässt. Die Forscher hoffen auch, durch eine frühzeitige Behandlung der Patienten Intensivstationen zu entlasten, weil eine intensivmedizinische Behandlung inklusive maschineller Beatmung in einem Teil der Fälle gar nicht erst notwendig wird.

Schnellere Reaktion für bessere Prognose

COVID-19-Infizierte in München werden aktuell nach Vorliegen des positiven Testergebnisses schnellstmöglich vom Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt (RGU) kontaktiert, das dann im telefonischen Kontakt täglich beratend zur Seite steht und den gesundheitlichen Zustand erfragt. Sofern die positiv getesteten Patientinnen und Patienten symptomfrei sind oder nur leichte Symptome aufweisen, wird eine 14-tägige häusliche Quarantäne angeordnet. Die Betroffenen können bei Symptomen einen vom RGU organisierten medizinischen Dienst kontaktieren, der bei Bedarf zuhause vorbeikommt und gegebenenfalls einen Transport ins Krankenhaus organisiert. Bisher entwickeln 13 Prozent der Infizierten schwere Symptome und müssen stationär behandelt werden.

„Bislang sollen Erkrankte in der ersten Krankheitsphase selbst Fieber messen, sich beobachten und sich bei bestimmten Beschwerden telefonisch beim Gesundheitsamt oder in ihrer Hausarztpraxis melden“, so Schmidt. Dies bringe gewisse Unwägbarkeiten mit sich: Die Temperatur müsse richtig gemessen sein, die Patientin oder der Patient müsse sich für einen Anruf in der Praxis entscheiden, die Einweisung in die Klinik müsse erfolgen. „Hier kann es zu Verzögerungen kommen“, weiß Schmidt. Er hofft, dass eine automatische permanente Überwachung der Biodaten und eine schnelle Reaktion auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands die Prognose Betroffenen deutlich verbessern können.

Ohrsensoren statt Smartwatches

Die Sensoren überwachen neben der Körpertemperatur auch die Sauerstoffsättigung des Blutes, Atemfrequenz und Puls. Ein mehrmals täglich bestimmter sogenannter Polyscore bestimmt gibt zudem Auskunft darüber , wie gut der Körper die Auswirkungen der Erkrankung kompensieren kann. 

Zur Erfassung kommen die Ohrsensoren des Münchener Start-ups cosinuss zum Einsatz, das 2011 aus dem Thema einer Doktorarbeit an der TUM entstanden ist. Die Sensoren erfassen Biodaten unter anderem durch optische Verfahren. „Die Geräte messen alle Werte, die wir brauchen, und über eine Bluetooth-Funkverbindung an einen kleinen Computer schicken, der sie dann datenschutzkonform zur Auswertung an unsere Zentrale weiterleitet“, sagt Georg Schmidt. Die Forscher haben sich gegen Smartwatches und für die Ohrsensoren entschieden, weil im Ohr das gemessene Signal besonders stabil und dementsprechend aussagekräftig ist. „Aus einer Studie, die wir vor einigen Monaten zu einem anderen Thema gestartet haben, wissen wir außerdem, dass gerade ältere Menschen die Geräte komfortabel tragen können“, so der Wissenschaftler.

Enge Abstimmung zwischen Akteuren

Der Erfolg der aktuellen Studie hängt auch von der engen Zusammenarbeit verschiedener Stellen ab. An der Studie freiwillig teilnehmen können Münchner Covid-19-Erkrankte über 60 Jahren in heimischer Isolation. Das RGU identifiziert diese Patienten und schickt ihnen einen Flyer mit Informationen zu der Studie. Unter Supervision eines Arztes überwacht ein Team von speziell trainierten Medizinstudierenden am Klinikum rechts der Isar in einer „Einsatzzentrale“ rund um die Uhr die gemessenen Daten. Bei Verschlechterung nach vordefinierten Regeln meldet das Team die Patienten bei Verschlechterung direkt an den Rettungsdienst. Danach werden sie schnellstens ins Krankenhaus transportiert.

„Ich hoffe, dass das Forschungsvorhaben eine zusätzliche Sicherheit für die Studienteilnehmer der älteren Generation bieten kann, die mit einer Covid-19 Erkrankung und mit leichten Symptomen zuhause bleiben und nicht im Krankenhaus behandelt werden müssen“, sagt Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs Gerade bei allein lebenden älteren Menschen könne es ein entscheidender Vorteil sein, eine automatische permanente Überwachung zu gewährleisten.

Der sehr schnelle Start der Studie wurde durch Spenden und Stiftungen an die TUM Universitätsstiftung ermöglicht. Innerhalb von nur wenigenTagen sind fast 500.000 Euro zusammengekommen.