Mit gezielter Hirnstimulation gegen Bewegungsstörungen

Ein jetzt gestartetes Verbundprojekt bringt international führende Wissenschaftler aus Grundlagenforschung und Klinik zusammen. Foto: © Oleksandr Omelchenko/123rf.com)

Hoffnung für Menschen mit bislang nicht behandelbaren Bewegungsstörungen: Ein jetzt gestartetes Projekt soll dabei helfen, innovative Therapiestrategien für diese Patienten zu entwickeln.

Viele neurologische Erkrankungen gehen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit einher. Durch Neuromodulation, also durch eine gezielte Stimulation von Nervenzellen, kann die dabei veränderte neuronale Netzwerkaktivität reguliert werden. Der neue überregionale Sonderforschungsbereich (SFB/Transregio) „Behandlung motorischer Netzwerkstörungen mittels Neuromodulation“ untersucht nun, welche Mechanismen der Neuromodulation bei verschiedenen Erkrankungen zugrunde liegen. Das Projekt wird von der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Universitätsklinikum Würzburg getragen und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zunächst für vier Jahre mit zehn Millionen Euro gefördert.

Neuromodulation nicht immer wirksam

Eine verminderte Bewegungsfähigkeit ist oft Ausdruck einer gestörten Kommunikation zwischen verschiedenen motorischen Hirnregionen. Nach einem Schlaganfall, Trauma oder bei neurodegenerativen Erkrankungen können solche Störungen beispielsweise auftreten. Für die betroffenen Patienten führen sie zu starken Einschränkungen im Alltagsleben. Neue Therapiemöglichkeiten bietet die Neuromodulation. Dabei wird die Aktivität des neuronalen Netzwerks mittels invasiver und nicht-invasiver elektrischer oder magnetischer Stimulation gezielt beeinflusst. Auf diese Weise lässt sich die gestörte Hirnfunktion wiederherstellen. Bereits heute können Patienten mit Parkinsonsyndrom, Dystonie, Tremor und anderen Bewegungsstörungen erfolgreich mittels der so genannten Tiefen Hirnstimulation mit Schrittmachersystemen behandelt werden. Auf viele andere Hirnerkrankungen lassen sich diese Therapien jedoch bisher nicht übertragen. Das wollen die Wissenschaftler ändern.

Ziel des Projektes ist es daher, mögliche Angriffspunkte für eine Neuromodulation bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen zu finden und krankheitsbedingte Veränderungen näher zu bestimmen. Das Verbundprojekt “SFB/Transregio TRR 295” bringt international führende Wissenschaftler aus Grundlagenforschung und Klinik zusammen. Neben der Charité und dem Universitätsklinikum Würzburg sind die Hebrew University of Jerusalem, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig sowie die Universitäten Potsdam und Rostock beteiligt.

Neuer Ansatz für Schrittmachersysteme

„Unsere Vision ist es, Neuromodulationsverfahren für die klinische Praxis zu entwickeln, die netzwerkspezifisch ansetzen, um komplexe klinische Syndrome behandeln zu können“, sagt Prof. Dr. Andrea Kühn, Sprecherin des Verbundes und Leiterin der Sektion Bewegungsstörungen und Neuromodulation an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. Dazu wollen die Forscher minimalinvasiv an spezifischen Knotenpunkten des Netzwerkes im Gehirn angreifen, um die pathologisch veränderte Hirnaktivität selektiv zu unterdrücken. 

Die Forscher haben sich unter anderem zum Ziel gesetzt, bedarfsgesteuerte Schrittmachersysteme zu entwickeln, die nur beim Auftreten von Krankheitssymptomen aktiv werden. Hierfür sollen die charakteristischen Hirnsignale – bei normalen und krankhaft veränderten Bewegungsabläufen – entschlüsselt und gezielt beeinflusst werden. Darüber untersuchen die Wissenschaftler grundlegende Mechanismen der Hirnstimulation an Modellsystemen für Bewegungsstörungen. Diese klinischen und experimentellen Befunde sollen dann in Computermodelle einfließen, um zukünftig individuell optimierte Stimulationsalgorithmen vorhersagen zu können.