Mehr Digitalismus geht nicht

DMEA 2024 in Berlin bei frühlingshaftem Wetter. (Foto: Rainer Bücken)

Die kommende DMEA 2025 findet vom 8. bis 10. April 2025 in Berlin statt. Doch auch die gerade beendete Veranstaltung mit 18.600 Teilnehmenden und rund 800 Ausstellern klingt noch nach. Eine Nachlese.

Beitrag von Rainer Bücken

Man musste sich sputen. Rund 800 Aussteller sind dieses Jahr während der DMEA (Digital Medical Expertise & Applikations) wieder für drei Tage in die sechs südlichen Messehallen der Messe Berlin eingezogen. Gerade mal 99 Sekunden bleiben für einen Standbesuch, will man sich bei allen Ausstellern umsehen, Wege- und Pausenzeiten nicht eingerechnet. Selbst der Kongress mit seinen 350 Speakern müsste außen vor bleiben. 

Zugegeben, auch wir haben längst nicht alle Aussteller besuchen können – wie auch die anderen 18.600 Besucher. Und so können wir hier nur einige Glimpse zusammentragen. Aber die Ausstellungs- und Kongressorganisierenden haben gute Arbeit geleistet – vieles kann auf den Internetseiten des Veranstalters bvitg und auf der Website der die Veranstaltung organisierenden Messe Berlin nachgehört und nachgelesen werden. 

Sascha Lobo mit einer Anti-Angst-Rede. (Foto: Rainer Bücken)

So auch die Reden von Sascha Lobo und von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Beide stellen das Thema künstliche Intelligenz (KI) in den Mittelpunkt ihrer spannenden Vorträge. Vor allem ist es eine Anti-Angst-Rede, die Lobo hält – und mit munteren Beispielen untermauert. Und Lauterbach ist sicher, dass mithilfe von KI bei Blutuntersuchungen das Risiko von Alzheimer-Demenz bestimmt werden kann. Mehr noch. Deutschland solle zum Vorreiter nicht nur in der Digitalmedizin, sondern auch in der biotechnischen Forschung werden. Doch solche Prognosen haben sich bislang noch nie erfüllt, Bremser beherrschen die Zukunftsschlachten.

Das und noch viel mehr gehört, geht es in die Ausstellung. Die Besucherliste ist lang, die Tage sind kurz. Erster Anlaufpunkt ist Philips. Hier geht es in diesem Jahr um Expertensysteme für Anästhesie, (Tele)Intensivmedizin, Pathologie, Kardiologie und Radiologie. „Hier sieht die KI eben mehr als mancher Radiologe“, erfahre ich bei einer spannenden Vorführung. Und sehe, wie das Röntgenbild eines Rippenbruchs zugleich den Verdacht eines Krebsherdes aufzeigt. Oder höre von Untersuchungen in Norwegen, wo in Kliniken am Wochenende kein Radiologe zur Befundung mehr im Dienst ist. KI gibt dem Bereitschaftsarzt entsprechende Hinweise. Auch geht es bei Philips um das Krankenhauszukunftsgesetz – und Projekte, die für zukunftssichere Gesundheitsversorgung stehen. Referenzprojekte dafür sind innovative MR-Technologie, Intensivbettenmanagement, kardiologische Informationssysteme, EKG Datenmanagement, IntelliSite Pathologielösung, telemedizinische Unterstützung für die Intensivmedizin (TeleICU Lösung) usw.

Telekom-Stand auf der DMEA. (Foto: Rainer Bücken)

Telekom Healthcare Solutions setzt den Schwerpunkt auch dieses Jahr auf das Krankenhausinformationssystem (KIS) iMedOne, das in 250 Kliniken installiert sein soll. Auch Beispiele zur Telematikinfrastruktur 2.0 werden gezeigt, so der der TI-Messenger (TIM), der vor allem von der gematik initiiert ist. Jetzt können die Ende-zu-Ende verschlüsselten Kurznachrichten bereits zwischen Praxisteams, Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen genutzt, oder besser, erprobt werden. So ist der erste von der gematik zugelassene TI-Messenger bei Famedly zu erleben, andere Unternehmen stehen in den Startlöchern. Doch zunächst soll der in Deutschland gehostete und DSGVO-konforme Messenger in Stufe 1 in der Modellregion Hamburg und Umgebung getestet und ausgewertet werden, die Direktkommunikation im medizinischen Versorgungsalltag wird einfacher. Die nächste Stufe Arzt-Patient ist für Herbst geplant. Und die Kommunikation von Patient-zu-Arzt könnte Ende des Jahres möglich sein. Die Telekom informiert auch über cloudbasierte Highspeed-Konnektoren (TIaaS) für eine sichere und vertrauliche Kommunikation. 

Sichere Kommunikation im Fokus

Auch die österreichische x-tention („IT with care“) ist mit großem Aufgebot von der Traun an die Spree gekommen, hat in ihrer Gesamtlösung Orchestra eHealth Suite den Famedly Messenger integriert. Aus datenschutzrechtlichen Gründen eignen sich WhatsApp & Co. weder für den medizinischen noch den sicherheitsrelevanten Bereich. So läuten x-tention und Famedly ein neues Zeitalter effektiver und sicherer Kommunikation ein, nutzen gemeinsam den ersten gematik-zugelassenen und durch x-tention betriebenen TI-Messenger. 

Basis des Ganzen ist aber die digitale Identität, ohne sie wird am Ende kein Prozess vollständig digital abbildbar sein. „Ich muss irgendwann nachweisen, dass ich wirklich ich bin, und wenn das nicht digital geht, muss ich Papier ausdrucken oder zu Geschäftsstellen laufen“, so Gottfried Ludewig, Chef der globalen T-Systems-Gesundheitssparte in einem Interview. „Wenn ich am Smartphone oder PC elektronische Rezepte nutzen oder Erstattungsanträge bei der Krankenkasse einreichen oder im Krankenhaus einchecken will, brauche ich eine digitale Identität.“ So sei die digitale Identität der Telekom unter anderem bei der Barmer im Einsatz. Auf deren Stand geht es um die ePA, die elektronische Patientenakte, die hier eCare heißt, die Barmer-App und den Barmer Teledoktor. Noch gibt es die ePA nur auf Antrag, später soll sie automatisch kommen. Wer keine will, muss widersprechen und so von seinem Opt-Out Gebrauch machen.

Mehr Nutzen für Patientinnen und Patienten

Die Neugestaltung der elektronischen Patientenakte ist denn auch ein thematischer Schwerpunkt des Praxissoftwareherstellers medatixx. „Unser Anspruch ist, die Nutzung der ePA im Rahmen unterschiedlicher Praxis- und MVZ-Systeme so berührungslos und niedrigschwellig wie möglich zu gestalten“, sagt Geschäftsführer Jens Naumann. „Es ist wichtig, dass Digitalisierung endlich nutzenstiftend für die Patientinnen und Patienten wird und zugleich für die Praxisteams im Versorgungsalltag ankommt.“ Den Anfang bei der ePA macht der digital gestützte Medikationsprozess. Doch der dürfte erst zur DMEA 2025 zu erleben sein, arbeiten doch noch gematik, KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) und Industrie an den Spezifikationen. Schließlich sollen auch an einem zentralen, für alle Behandelnden zugänglichen Ort die jeweiligen Medikamentenpläne gespeichert werden, um Wechselwirkungen zu vermeiden. 

Die teils cloudbasierte Praxissoftware medatixx ist nach eigenen Angaben bereits in über 4.500 Arztpraxen im Einsatz. Das Unternehmen intensiviert derzeit die Zusammenarbeit mit der Gesundheitsplattform gesund.de, um gemeinsam die digitale Praxis-Patienten-Kommunikation im Gesundheitswesen voranbringen. Mit x.vianova Smartvorlagen kann für wichtige Patientendokumente definiert werden, dass diese explizit von einem Arzt oder mehreren Ärzten in einem Freigabeworkflow vidiert, also unterzeichnet werden müssen. Durch das x.vianova-Einwilligungsmanagement wird sichergestellt, dass nur solche Dokumente an ein Archivsystem weitergeleitet werden, für die der Patient explizit eingewilligt hat.

Austausch in Echtzeit

Das Deutsche Gesundheitsnetz DGN zeigt, wie der neue TI-Messenger DGN TIM funktioniert. Ambulant und stationär tätige Ärztinnen und Ärzte können künftig damit untereinander sowie mit weiteren Gesundheitseinrichtungen vertrauliche Kurznachrichten, Bilder und andere Dateien in Echtzeit austauschen – sicher und sektorenübergreifend. So soll mit der DGN TIM in der Pflegeeinrichtung die Medikamentengabe einer Patientin kurz besprochen, eine Rückfrage an den Facharzt gestellt und mit den Kolleginnen und Kollegen rasch die Einsatzzeiten abgestimmt werden können. Praxen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen können künftig über den TI-Messengerdienst schnell und sicher Kurznachrichten austauschen und ad hoc miteinander kommunizieren. Künstliche Intelligenz in der Pflege – viel diskutiert im Kongress- und Ausstellungsprogramm. So zeigt voice ein Spracheingabetool, bei dem der Mitarbeiter die geleisteten Pflegearbeiten einfach ins Smartphone sprechen kann. Die KI soll daraus richtig strukturierte, grammatikalisch korrekte Dokumentationseinträge erstellen. Das Spracherkennungsprogramm Nuance bzw. Dragon gehört jetzt zu Microsoft und gibt es auch in einer medizinischen Variante.

Zu den führenden Anbietern für qualifizierte elektronische Signaturkarten (elektronische Heilberufsausweise, kurz eHBA) im deutschen Gesundheitswesen zählt medisign. Zudem ist das in Düsseldorf ansässige Unternehmen zugelassener Anbieter von elektronischen Praxis- und Institutionsausweisen (SMC-B) zur sicheren Anbindung von Arzt-, Zahnarzt- und Psychotherapiepraxen sowie Apotheken an die Telematikinfrastruktur (TI). 

Arvato Systems präsentiert zukunftsweisende und tragfähige Cloud- und KI-Lösungen speziell für Universitätskliniken und Krankenhäuser, bietet ihnen zukunftsfähige Cloud- und KI-Lösungen, die an bestehende KIS-Systeme andocken. Somit erfüllen sie alle Voraussetzungen für das interoperable Zusammenspiel mit der Telematikinfrastruktur (TI 2.0). 

Künstliche Intelligenz in der Dokumentation

Spannend zu sehen, wie durch intelligente KI-gestützte Dokumentation etwa mit der CGI-Lösung AI DocReport Dokumentationsprozesse im Entlassungsmanagement deutlich vereinfacht und beschleunigt werden können. Dies ermöglicht dem medizinischen Personal, sich mehr auf die direkte Patientenbetreuung zu konzentrieren und verbessert damit die Qualität der Versorgung.

Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen

Das Thema Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen ist bislang kaum Gegenstand öffentlicher Diskussionen – auf der DMEA 2024 hat sich das geändert. So produziere allein das Gesundheitswesen doppelt so viel Treibhausgase wie die Luftfahrt, wird im Panel zum Thema „Green Health – Wie kann das Gesundheitswesen eine nachhaltigere Zukunft fördern?“ seitens Thomas Hagemeijer, Lead bei TLGG Consulting, erklärt. Aber es gibt auch Lösungen: So ließen sich durch Digitalisierung zum Beispiel durch telemedizinische Angebote Wege und damit Treibhausemissionen reduzieren. Auch könnten 95 Prozent der nicht-infektiösen medizinischen Abfälle recycelt werden.

Auch bei Concat geht es unter anderem um Telemedizin. Demnach war der Arztbesuch noch nie so einfach: die Videosprechstunde sei mit wenigen Klicks einsatzbereit und „eröffnet ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen und weiteren Heilberuflern völlig neue Möglichkeiten im Kontakt mit ihren PatientInnen“, heißt es bei der Concat-Tochter TelemedPro. Ebenfalls um eine Videosprechstundenlösung geht es bei „CANCOM Telehealth Connect“. Auch verschiedene KI-Anwendungen sind zu sehen, u.a. wie sich Risiken einer fehlerhaften Medikamentendosierung vermeiden lassen. 

Meierhofer zeigt, wie komplexe KIS-Einführungen (Krankenhausinformationssysteme) und Migrationen ressourcenschonend und zügig umgesetzt und betrieben werden können. Außerdem präsentiert das Unternehmen mit M-KIS Abrechnung und M-KIS Patientenmanagement zwei leistungsstarke Alternativen für IS-H (SAP-Industry Solution und „H“ für Healthcare) und zeigt neue Funktionalitäten der M-Medikation. Alle neuen Lösungen sind SaaS-basiert (Software- as-a-Service) und versprechen ein hohes Maß an Flexibilität.

Systemhäuser zeigen Präsenz

Überhaupt, es sind viele Systemhäuser in Sachen Telematikinfrastruktur unterwegs. PCS365 soll in den letzten Jahren eines der größten Partnernetzwerke für PCServices und Security in Deutschland mit weit über 70.000 Installationen an die Telematikinfrastruktur aufgebaut und einen Großteil der deutschen Krankenhäuser versorgt und angebunden zu haben. InterSystems empfiehlt sich als „Ihr Partner für eine bessere Gesundheit“ und will mit eigenen Lösungen für Gesundheitsvernetzung Gesundheitsdaten vereinheitlichen, bereinigen sowie einfacher verfügbar, beherrschbar und nutzbar machen.

Adesso ist unter anderem mit dem Thema Personal Health angetreten und verspricht, Patientinnen und Patienten aktiv einzubinden, bessere Behandlungsergebnisse zu ermöglichen. 

eHealth Experts [ehex] ist ein Anbieter von Spezialsoftware für die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI). Nach eigenen Angaben sind rund 90.000 Praxen, Krankenhäuser und Apotheken mit Software von ehex an die TI angeschlossen.

Zentrale Datennutzung

Mesalvo HealthCentre will alle IT-Lösungen in einer ganzheitlichen Healthcare-Plattform für die durchgängige Digitalisierung im Krankenhaus bündeln und hebt sie mittels innovativer Technologie-Strategie auf das „nächste Level“. So sorgt der Aufbau eines Clinical Data Repository durch zentrale Datennutzung für eine einheitliche Sicht auf Gesundheitsdaten, um die Effizienz und Qualität der medizinischen Versorgung zu steigern und ein hohes Maß an Entscheidungsunterstützung zu gewährleisten. 

Es sind aber auch sehr praktische Exponate zu sehen – etwa ein Bedside Terminal von ocilion, nämlich ein IPTV-Komplettsystem für Krankenhäuser, Reha-Zentren und Pflegeeinrichtungen. Das 21,5 Zoll Touchdisplay entspricht allen medizinischen Anforderungen. Neben Live-TV, Mediatheken sind auch Therapie- und Menüpläne abrufbar. Das Thema sichere Vernetzung wird an vielen Ständen bespielt, so auch bei achelos. Das Unternehmen begleitet die Entwicklung von elektronischer Gesundheitskarte, elektronischer Patientenakte (ePA) und TI-Messenger schon seit Jahren. Dabei bietet der IT-Security-Experte Herstellern von eHealth-Lösungen umfangreiche TI-Services.

Eines ist klar – das Schwungrad zur weiteren Digitalisierung des Gesundheitswesens nimmt deutlich an Fahrt auf. Alle Stakeholder haben mitgeholfen, neuen Drive in das etwas müde daherkommende Portfolio an Maßnahmen und Techniken zu bringen. Vor allem sollte die vielzitierte übergreifenden Zusammenarbeit aller Akteure endlich passieren.