Medikamentengabe und Co.: TimeTeller liest die innere Uhr

Forschende haben eine Methode entwickelt, die innere Uhr von Patientinnen und Patienten zu lesen. (Grafik: Normaals/123rf.com)
Forschende haben eine Methode entwickelt, die innere Uhr von Patientinnen und Patienten zu lesen. (Grafik: Normaals/123rf.com)

Mit einer nichtinvasiven Methode lässt sich nun das Profil der inneren Uhr von Patientinnen und Patienten bestimmen, um zum Beispiel medizinische Behandlungen entsprechend anzupassen und zu optimieren.

Mithilfe der Methode lässt sich der persönliche zirkadiane Rhythmus bestimmen. Entwickelt hat sie ein interdisziplinäres Team um Professorin Dr. Angela Relógio vom Molekularen Krebsforschungszentrum MKFZ und dem Institut für Theoretische Biologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin als auch von der MSH Medical School. Sie haben sich zum Unternehmen TimeTeller zusammengeschlossen. Aus einem einfachen Speicheltest können die Expertinnen und Experten mit einer Kombination aus experimentellen Analysen und mathematischen Modellen das Profil der individuellen inneren Uhr bestimmen. Ziel ist es, personalisierte Empfehlungen zu geben, mit denen der Lebensstil oder der Zeitpunkt einer medizinischen Behandlung an die innere Uhr angepasst werden kann.

„Die biologische Uhr, die auch als zirkadiane Uhr bezeichnet wird, tickt in praktisch jeder Körperzelle“, sagt Relógio. Sie regele den Zeitablauf vieler zellulärer und molekularer Mechanismen wie die Zellteilung oder von Stoffwechselprozessen und spiele eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der menschlichen Gesundheit. „Ist der zirkadiane Rhythmus gestört, können Krankheiten entstehen wie Schlafstörungen, Depressionen, Diabetes, neurodegenerativen Erkrankungen, Fettleibigkeit oder Krebs“, so die Forscherin.

Innere Uhr für bessere Wirksamkeit berücksichtigen

Die zirkadianen Rhythmen sind bei jedem Menschen unterschiedlich. „Wenn man seinen persönlichen zirkadianen Rhythmen kennt und Schlaf, Bewegung oder Medikamenteneinnahme daran anpasst, kann das das Wohlbefinden und die Gesundheit verbessern. Bei KrebspatientInnen zum Beispiel vermuten wir, dass wir die Wirksamkeit der Behandlung optimieren und die Nebenwirkungen verringern könnten, wenn wir den Zeitplan der medizinischen Behandlung an den zirkadianen Rhythmus des einzelnen Patienten anpassen“, erläutert Relógio. Das könnte nicht nur die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten während der Behandlung verbessern, sondern auch zu geringeren Kosten für die Gesundheitssysteme führen.

So tickt die innere Uhr

Doch wie bestimmt man die innere Uhr? „Wir wissen, dass jede Zelle des menschlichen Körpers die Aktivität vieler Gene regelmäßig steigert und absenkt“, erklärt Angela Relógio. „Zum Beispiel sind die Gene, die die Zellteilung oder den Stoffwechsel steuern, innerhalb von 24 Stunden je nach Tageszeit mehr oder weniger aktiv. Da wir davon ausgehen, dass alle Zellen des Körpers synchron arbeiten, schließen wir aus der Analyse der Genaktivität in Speichelzellen auf die die zircadiane innere Uhr.“

Die Forschenden bestimmten daher in Zellen aus Speichelproben, die sie zu verschiedenen Tageszeiten von Probanden entnommen hatten, die Aktivität mindestens zweier Gene anhand der mRNA: Je mehr mRNA -Moleküle vorhanden sind, desto häufiger wurde das Gen abgelesen.

Nebenwirkungen minimieren

„Wir haben daraufhin ein mathematisches Modell entwickelt, das aus den Genaktivitäten berechnet, wann es am sinnvollsten ist, Medikamente zu verabreichen, Sport zu treiben oder schlafen zu gehen.“ Bei Sportlern konnten die Forschenden so erfolgreich vorhersagen, wann der beste Zeitpunkt für ein Training war. Darüber hinaus ließ sich auch berechnen, wann Medikamente am besten verabreicht werden sollten, um Krebszellen zum Absterben zu bringen und gleichzeitig die Nebenwirkungen auf gesunde Zellen am niedrigsten zu halten.

Teilnahme an klinischen Studien

„Bisher haben wir unsere Technologie rückwirkend überprüft, wir wollten herausfinden, ob wir beobachtete Effekte auch mit unseren Methoden hätten vorhersagen können. Um unsere Methode nun weiter zu validieren, nehmen wir derzeit an verschiedenen klinischen Studien teil“, so die Projektleiterin. Ziel sei es Ärztinnen und Ärzte dabei zu unterstützen, den besten Zeitpunkt für die Behandlung zu wählen. Zudem wollen die Forschenden zukünftig gesunden Menschen dabei helfen, ihre täglichen Aktivitäten an ihre innere Uhr anzupassen, um gesund zu werden oder zu bleiben.

Das Projekt TimeTeller hat sich vor Kurzem die nächste Finanzierungsrunde im Rahmen des InnoRampUp-Programms der IFB Hamburg gesichert und befindet sich aktuell in Gesprächen für den Aufbau von Kooperationen mit einer Reihe von Pharmaunternehmen. Im März 2023 haben die Partner die TimeTeller GmbH aus der Charité heraus ausgegründet.