Keine App-Nutzung ohne Arztbesuch

Vor einigen Gesundheits-Apps warnt jetzt die Verbraucherzentrale NRW. Nach Einschätzung der Experten sind die Hinweise zum Zweck, Nutzen und den Grenzen einer Anwendung zu dürftig und die medizinischen Belege für Infos, Ratschläge und Empfehlungen zu dünn.

Die Verbraucherschützer hatten 17 Gesundheits-Apps im Play Store für Android-Nutzer untersucht, die speziell zur Linderung von Rücken-, Rheuma- und weiteren Beschwerden des Bewegungsapparats kostenlos angeboten werden. Die Apps stammen von App-Anbietern, Pharmaunternehmen, Agenturen für Pharmakommunikation, einem Arzt, einer Selbsthilfeorganisation und sonstigen Firmen und bieten in erster Linie Bewegungsübungen oder das Führen eines Beschwerde- und Behandlungstagebuchs an.

Im Fokus standen drei Fragen, die nach Ansicht der Verbraucherschützer für ein seriöses und hilfreiches virtuelles Angebot unabdingbar sind. Erstens: Können Verbraucher vor der Anwendung erkennen, ob die App für sie gemacht ist? Zweitens: Wenn die App explizit Personen mit Beschwerden anspricht, empfiehlt sie vor der Anwendung zwingend einen Arztbesuch? Und drittens: Erbringen Apps für Patienten einen nachvollziehbaren Nachweis ihrer medizinischen Qualifikation? Denn bei schon vorhandenen Schmerzen droht das Risiko, dass Übungen oder Messungen mehr schaden als nutzen können. Im Ergebnis lassen vier Apps gar keine Zielgruppenansprache erkennen, zwei weitere richten sich allgemein an Personen, die Schmerzen vorbeugen wollen. Elf Apps sprechen Schmerzpatienten an, fünf davon wenden sich konkret an Patienten mit einer spezifischen Diagnose – zum Beispiel Arthrose oder Rheuma. Und sechs Apps richten ihre Infos generell an Menschen mit Rücken- und Gelenkschmerzen.

Keine Nutzung von Gesundheits-Apps ohne Arztbesuch

App-Anbieter müssen nach Ansicht der Experten zwingend darauf hinweisen, dass bei gesundheitlichen Problemen vorab ein Arzt hinzugezogen werden sollte und die fachlichen Quellen nennen, auf deren Grundlage die App entwickelt wurde. Diese Mindestkriterien erfüllen jedoch gerade einmal vier der elf Apps. Ebenfalls vier Apps fallen durchs Raster, weil der Hinweis auf den Arzt fehlt. Von den restlichen sieben Apps nennen drei keine Informationsquelle. Auch bei den Apps, die die Kriterien formal erfüllen, ist die Umsetzung sehr heterogen. Meistens wird lediglich eine Institution benannt statt fundierte, wissenschaftliche Nachweise zu liefern. Eine App nennt zum Beispiel als Referenz ein Physiotherapiecenter, eine andere eine Universität. Einmal wird ein Arzt namentlich angegeben, in einem Fall eine Trainerin.

„Gesundheits-Apps, die keinen verlässlichen und medizinisch fundierten Standard auf- und nachweisen, können bei der Anwendung mehr schädigen als nützen“, sagt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. Patienten seien auf verlässliche Informationen und Hilfe zur Klärung von Symptomen und Behandlung von Krankheiten angewiesen. Der NRW-Verbraucherzentralen-Chef fordert, dass entsprechende Auskunftspflichten der Anbieter bereits in der Produktbeschreibung im jeweiligen App-Store sowie in der App gesetzlich verankert werden.

Zertifizierungsbedarf

Darüber sollten den Patienten vor dem Gebrauch alle relevanten Informationen zugänglich gemacht werden. Das sei bislang noch keine gültige Praxis. Während der Markt der mobilen Gesundheits-Apps rasant wächst, sind bislang nur wenige Apps offiziell hinsichtlich ihres medizinischen Gehalts und Nutzens zertifiziert worden. Eine qualitative Kennzeichnung von medizinischen Gesundheits-Apps nach Ansicht der Verbraucherzentrale eine notwendige Voraussetzung für Anwender, um nützliche Apps zu identifizieren. Eine fundierte und unabhängige Zertifizierung ist außerdem wichtig, damit anerkannte Apps in die Regelversorgung übernommen, vom Arzt verordnet und von der Krankenkasse bezahlt werden können.

„Eine Gesundheits-App ersetzt nicht den Arztbesuch“, betont Schuldzinski. Die Studie der Verbraucherzentrale NRW zum gesundheitlichen Nutzen von kostenlosen Gesundheits-Apps steht online zur Verfügung.